Gesetzentwurf zur Vergabebeschleunigung – auf was müssen sich Kommunen einstellen?

25.09.2025

Gesetzentwurf zur Vergabebeschleunigung – auf was müssen sich Kommunen einstellen?

Zu sehen ist der Header zum Thema Kommunalrecht, auf welchem die Autorin Dr. Beatrice Fabry abgebildet ist

von Dr. Beatrice Fabry

Hintergrund und Zielsetzung

Die Bundesregierung hat am 6. August 2025 den Entwurf eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge“ (Vergabebeschleunigungsgesetz) verabschiedet. Die Reform reagiert auf Anforderungen, die sich aus aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen ergeben: der beschleunigte Ausbau und die Modernisierung von Infrastrukturen, die digitale Transformation der Verwaltung sowie die Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele.

Kernelemente des Gesetzesentwurfs

Der Entwurf umfasst Änderungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV), der Sektorenverordnung (SektVO), der Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und der VOB/A. Wesentliche Punkte:
 

  • Digitalisierung: Mit dem Ausbau des „Datenservice Öffentlicher Einkauf“ soll eine zentrale, nutzerfreundliche Plattform entstehen, die sowohl Oberschwellen- als auch Unterschwellenvergaben aufführt. Parallel sollen bundeseinheitliche Standards für digitale Beschaffungsprozesse entwickelt werden.
  • Bürokratieabbau: Die Eignungsprüfung soll verstärkt auf Eigenerklärungen gestützt werden; zusätzliche Nachweise werden nur von aussichtsreichen Bietern angefordert. Ferner sollen einzelne Begründungspflichten entfallen, was die Verfahrensdokumentation verschlankt.
  • Nachhaltigkeit: Einführung einer Ermächtigungsgrundlage für die Bundesregierung zur Regelung von verbindlichen Anforderungen an die Klimafreundlichkeit von Beschaffungen, etwa bei CO₂-intensiven Baustoffen wie Stahl oder Zement.
  • Förderung von Innovation und Mittelstand: Kleine, junge und innovative Unternehmen sollen bei der Angebotsaufforderung besonders berücksichtigt und insoweit Teilnahmehürden abgebaut werden.
  • Festhalten am Losgrundsatz, § 97 Abs. 4 GWB: Der Gesetzentwurf hält am Losgrundsatz fest. Lockerungen werden in § 97 Abs. 4 Satz 3 lediglich bei dringlichen Infrastrukturvorhaben, die aus dem im März 2025 vom Bundestag beschlossenen Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ finanziert sind, vorgesehen.
  • „Inhouse-Vergabe“, § 108 GWB: Die Regelungen zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit in § 108 sollen vor dem Hintergrund der auch europarechtlich anerkannten Verwaltungsautonomie der Mitgliedstaaten klarer gefasst werden. Unter anderem soll in einem neuen Absatz 7 eine Definition der Betrauung – angelehnt an die beihilferechtliche Betrauung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV und bezogen auf den eigenen Aufgabenkreis des Auftraggebers – eingeführt werden.
  • Erleichterungen für Leistungsbeschreibungen: Durch die Streichung der Angabe „und erschöpfend“ in § 121 Abs. 1 Satz 1 VgV sollen Auftraggeber stärker zu funktionellen Leistungsbeschreibungen bzw. mehr Funktionsanforderungen angeregt werden.
  • Nebenangebote: Zur Förderung von innovativen Lösungen und der Teilnahme von innovativen Unternehmen an öffentlichen Vergabeverfahren sollen die Möglichkeiten für Nebenangebote erleichtert werden
  • Wettbewerbsregister und Vergabestatistik: Die Pflicht zur Abfrage des Wettbewerbsregisters soll von 30.000 Euro auf 50.000 Euro sowie die Pflicht zur Abfrage der Vergabestatistik soll von 25.000 Euro auf 50.000 Euro erhöht werden.
  • Rechtsschutz: Ein beträchtlicher Bestandteil des Gesetzentwurfs umfasst Anpassungen des Rechtsschutzes in den §§ 155 ff. GWB. Nachprüfungsverfahren sollen vereinfacht, weiter beschleunigt und weitestmöglich digitalisiert werden.

 

Bedeutung für Kommunen

Für Kommunen ergeben sich aus den geplanten Änderungen Verfahrenserleichterungen, aber auch Herausforderungen:
 

  • Zeit- und Ressourcengewinne: Vermehrter Einsatz z.B. von funktionalen Leistungsbeschreibungen, vereinfachte Eignungsanforderungen und reduzierte Begründungs- / Dokumentationspflichten in einzelnen gesetzlich geregelten Fällen können kommunale Vergabestellen erheblich entlasten.
  • Inhousevergabe: Die Definition der Betrauung in § 108 GWB unterstützt die Argumentation von Städten, dass diese ihre eigenen Stadtwerke mit DAWI-Leistungen betrauen und umgekehrt vergaberechtsfrei Leistungen, z.B. Energielieferungen, von ihren eigenen Stadtwerken beziehen dürfen, auch wenn die Stadtwerke in erster Linie die Bürger der Stadt versorgen.
  • Digitalisierungspflicht als Umsetzungsaufgabe: Die Teilnahme an bundesweiten Plattformen setzt eine leistungsfähige IT-Infrastruktur und geschultes Personal voraus – hier besteht vor allem in kleineren Kommunen teils erheblicher Nachholbedarf.

Bewertung und Ausblick

Der Gesetzesentwurf setzt klare Signale in Richtung Entbürokratisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig zwingt die Reform alle Kommunen, bestehende interne Strukturen zu überprüfen und vor allem digitale Beschaffungs- und Vergabeprozesse konsequent einzuführen.

 

 

Dr. Beatrice Fabry, Fachanwältin für Vergaberecht, Menold Bezler Rechtsanwälte Steuerberater Wirt-schaftsprüfer Partnerschaft mbB sowie Lehrbeauftragte an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Sie referiert und publiziert regelmäßig zum Recht der öffentlichen Unternehmen und zum Vergaberecht.