Interview mit Professor Dr. Hardy Gundlach

31.07.2025

Das Standardwerk zur Medienregulierung in neuer Auflage

Braun goldener Hintergrund. Links im Vordergrund das stehende Buch "Medienregulierung" und rechts ein Bild des Herausgebers.

Interview mit Professor Dr. Hardy Gundlach

In Sozialen Medien leaken Informationen, X (ehemals Twitter) verändert seine Diskursregeln und verliert massenhaft Nutzer:innen, und Tech-Giganten wie Meta stellen ihre „Faktencheck“-Politik infrage – aktuelle Entwicklungen verdeutlichen, wie zentral wirtschafts- und kommunikationspolitische Regulierungsziele und -konzepte heute sind.

Das Handbuch Medienregulierung, herausgegeben von Prof. Dr. Hardy Gundlach, bietet eine umfassende Darstellung der komplexen Systeme der Medienregulierung im DACH-Raum. Unser Verlag hat mit dem Herausgeber über das Buch gesprochen.

Wie wichtig ist ein gutes Verständnis der Medienregulierung – für Studierende heute und Berufstätige in der Medien- oder Kommunikationsbranche in der Zukunft?

„Wer im Medienbereich beruflich tätig sein will, muss einen komplexen Ordnungsrahmen aus Regeln und Institutionen verstehen und einhalten. Dieses Verständnis ist heute wichtiger denn je. Die digitale Transformation hat die klassischen Grenzen zwischen Presse, Rundfunk und Online-Medien aufgelöst. Medieninhalte sind jedoch weiterhin mitentscheidend für gesellschaftliche und demokratische Meinungsbildungsprozesse, für die Sicherung der Meinungsvielfalt oder die Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht. Plattformen wie soziale Netzwerke oder Suchmaschinen strukturieren den Zugang zu Information neu – und verändern damit die Voraussetzungen für die Prozesse der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, für den Meinungspluralismus, die Demokratie und die Gewährleistung des Rechts auf freier Meinungsäußerung. Wer künftig Verantwortung in Medien- oder Kommunikationsberufen übernimmt, muss wissen, wie Medienregulierung funktioniert, welche gesellschaftlichen Ziele für Medieninhalte und Medienunternehmen sowie für Plattformbetreiber gelten – und wie gesetzliche Rahmenbedingungen, etwa durch den EU Digital Services Act (DSA) oder nationale Mediengesetze wie den deutschen Medienstaatsvertrag, umgesetzt werden.“

Welcher wirtschaftliche Aspekt ist im Buch besonders interessant oder aufschlussreich?

„Besonders aufschlussreich ist die ökonomische Analyse der Medienkonzentration, der öffentlich-rechtlichen Medien und der Plattformökonomie – und wie sich diese Strukturen auf den publizistischen Wettbewerb auswirken. Plattformen wie YouTube, TikTok oder Meta stellen nicht nur technische Infrastrukturen bereit, sondern greifen tief in die Distributionsbedingungen für Medieninhalte ein. Das Handbuch zeigt, wie daraus neue Risiken vorherrschender Meinungsmacht und Marktmacht, asymmetrische Informationslagen und regulatorischer Anpassungsbedarf entstehen – und erläutert, wie Medienpolitik, Wettbewerbspolitik, Urheberrecht, Transparenzanforderungen des Datenschutzes und Werberechts und die Medienförderung darauf reagieren. Für Studierende der Wirtschaftswissenschaften wird das komplexe Spannungsfeld zwischen Markt und Regulierung verständlich und transparent aufgearbeitet. Studierende der Kommunikations- und Sozialwissenschaften lernen, die ebenso einflussreichen wirtschaftspolitischen Ziele im Hinblick auf Medieninhalte und Medienunternehmen besser einzuschätzen.“

Könnten Sie ein konkretes Beispiel für eine aktuelle Frage der Medienregulierung nennen, die im Handbuch behandelt und eingeordnet wird?

„Ein aktuelles Beispiel ist die Frage, wie mit politischen Influencer:innen auf Social Media umzugehen ist. Das Handbuch analysiert, welche rechtlichen Verpflichtungen etwa für politische Meinungsmacher:innen auf Plattformen wie Instagram oder TikTok gelten – und wo sich Grauzonen auftun. Es zeigt, wie herkömmliche Regeln zur Meinungsäußerung, journalistischen Sorgfalt oder Werbekennzeichnung auf neue Akteure angewandt oder angepasst werden müssen.

Ein weiteres Beispiel ist die Reformbedürftigkeit der Medienkonzentrationskontrolle. In Deutschland ist diese bislang vor allem auf das Fernsehen als Leitmedium ausgerichtet. Das greift zu kurz in einer digitalen Medienlandschaft, in der Plattformen wie TikTok, YouTube oder Meta die Meinungsbildungsprozesse maßgeblich mitgestalten. Deshalb droht bei nationalen Ansätzen wie der Konzentrationskontrolle durch die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) ein regulatorischer Leerlauf. Das Handbuch zeigt, dass Artikel 22 des European Media Freedom Act zwar erstmals eine Bewertung von Konzentrationsprozessen im Hinblick auf kommunikationspolitische Ziele vorsieht – aber noch keine konkrete europäische Regulierung darstellt. Ob und wie auf nationaler Ebene, etwa durch die KEK, gehandelt werden kann, ist derzeit offen.

Das Handbuch betont die strukturelle Medienregulierung – im Unterschied zur inhaltsbezogenen Regulierung – und stellt kommunikationspolitische Ziele wie die Sicherung der Meinungsvielfalt in den Mittelpunkt. Es fordert, die Plattformökonomie systematisch in diese strukturelle Regulierung einzubeziehen. Deutlich wird dabei, wie schnell sich kommunikationspolitischer Regulierungsbedarf im digitalen Raum entwickelt – welche Ziele verfolgt werden, welche Instrumente bereits greifen oder entwickelt werden müssen und wie diese im Verhältnis zur Meinungsäußerungsfreiheit sowie zu wirtschaftspolitischen Wohlstands- und Wettbewerbszielen – insbesondere den EU-Zielen eines funktionierenden Binnenmarkts – einzuordnen sind.“

Das Handbuch richtet sich an Studierende der Kommunikations- und Medienwissenschaften sowie der Informations- und Wirtschaftswissenschaften ebenso wie an alle Interessierten, die sich mit aktuellen Fragen der Medienregulierung auseinandersetzen möchten.

Wer künftig Verantwortung in Medien- oder Kommunikationsberufen übernimmt, muss wissen, wie Medienregulierung funktioniert, welche gesellschaftlichen Ziele für Medieninhalte und Medienunternehmen sowie für Plattformbetreiber gelten – und wie gesetzliche Rahmenbedingungen, etwa durch den EU Digital Services Act (DSA) oder nationale Mediengesetze wie den deutschen Medienstaatsvertrag, umgesetzt werden.

Hardy Gundlach , Professor für Medien- und Informationsökonomie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg

Das Nomos Handbuch „Medienregulierung“ hat Beiträge von

Oliver Budzinski | Mark Eisenegger | Stefan Gadringer | Hardy Gundlach | Svenja Hagenhoff | Matthias Künzler | Juliane A. Lischka | Paul Clemens Murschetz | Manuel Puppis | Jessica Schmid | Wolfgang Seufert | Birgit Stark | Thomas Steinmaurer | Annika Stöhr | Tales Tomaz | Josef Trappel | Linards Udris | M. Bjørn von Rimscha