Kommunale Daseinsvorsorge im ÖPNV: Anmerkungen zum status quo

03.09.2025

Kommunale Daseinsvorsorge im ÖPNV: Anmerkungen zum status quo

Zu sehen ist der Header zum Thema Kommunalrecht. Dieser ist ockerfarben, mit den Umrissen einer Stadt im Hintergrund. Im Vordergrund ist das Portrait des Autors Prof. Dr. Matthias Knauff

von Prof. Dr. Matthias Knauff

Der ÖPNV ist ein Kernbereich der kommunalen Daseinsvorsorge. Diese seit Jahrzehnten wohl unbestrittene Aussage gilt unverändert auch heute. Die Rahmenbedingungen des ÖPNV unterliegen jedoch seit einigen Jahren stetiger Veränderung und bedürfen der Weiterentwicklung.

Wettbewerb

Vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße bildeten Verkehrsbestellungen im deutschen ÖPNV einen seltenen Ausnahmefall. Heute zählen sie zur Normalität. Allerdings ist der Konkurrenzdruck vielerorts wenig ausgeprägt. Zahlreiche Kommunen nutzen die Möglichkeiten zur wettbewerbsfreien Beauftragung eigener Verkehrsunternehmen und unterlaufen damit den wettbewerbsorientieren Grundansatz der Verordnung, der in der Neufassung der darauf bezogenen Leitlinien (2023/C 222/01) von der EU-Kommission nochmals deutlich hervorgehoben wurde. Zugleich läuft der personenbeförderungsrechtlich vorgesehene Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit weithin leer. Schwierige ökonomische Verhältnisse, an Bestellungen geknüpfte Fördermittel und eine den Verkehrsunternehmen wenig Gestaltungsspielraum belassende kommunale Verkehrsplanung gehen eine unheilige, der gesetzlichen Konzeption widersprechende Allianz ein. Zwar ist es den Kommunen unbenommen, die bestehenden Möglichkeiten zur Minimierung des Wettbewerbs im ÖPNV zu nutzen; eine Wahrung der insoweit bestehenden Grenzen ist jedoch nicht nur rechtlich zwingend, sondern auch ein Gebot ökonomischer Vernunft.

Deutschlandticket

Die Einführung des Deutschlandtickets war ein verkehrspolitischer Paukenschlag. Gleichwohl ist es nicht gelungen, den kommunalen ÖPNV mit seiner Hilfe auf ein neues Level zu heben. Während die mit seiner Einführung verbundenen Ziele des Klimaschutzes und der Digitalisierung allenfalls partiell erreicht werden konnten, wirkt es weithin als „Kostensenkungsprogramm“ für bisherige Zeitkarteninhaber zu Lasten der Gesamtheit der Steuerzahler. Erhebliche Unsicherheit besteht ungeachtet wiederkehrender politischer Bekenntnisse nicht nur im Hinblick auf seinen Bestand, sondern auch hinsichtlich der Konformität der Einnahmen-Ausgaben-Verteilung mit der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007. Das Fehlen eines rechtsverbindlichen Befehls zur Anwendung des Deutschlandtickets in den meisten Ländern ist ebenfalls nicht geeignet, zur Rechtssicherheit beizutragen.

Barrierefreiheit

Damit der ÖPNV in den Kommunen für alle nutzbar ist, muss er barrierefrei sein. Die in den letzten Jahren erreichten Fortschritte sind erheblich und unübersehbar, auch wenn die vollständige Barrierefreiheit nicht, wie gesetzlich (immer noch) vorgesehen, am 1. Januar 2022 erreicht wurde. Der Gesetzgeber ließ allerdings bisher kein gesteigertes Interesse daran erkennen, die gerade wegen der Fortschritte immer deutlicher zu Tage tretenden Defizite des Rechtsrahmens zu beseitigen. Ohne einen Gleichlauf von Fahrzeug- und Infrastrukturentwicklung ist eine umfassende Barrierefreiheit im ÖPNV letztlich nicht erreichbar. Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass die Kommunen mit den erforderlichen rechtlichen und finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Perspektivisch sind zudem Fragen nach der Gewährleistung von Barrierefreiheit im autonomen ÖPNV zu beantworten.

Verkehrswende und Klimaschutz

Eine ebenfalls teure Herausforderung ist die klimapolitisch getriebene Antriebswende im ÖPNV. Die Mehrkosten für Elektrobusse und die hierfür erforderliche Ladeinfrastruktur sind erheblich. Ungeachtet dessen – wie auch technischer Alternativen – ist die Richtung hin zu einem lokal emissionsfreien ÖPNV klar vorgegeben. Das Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz und die Typzulassungsregeln werden in den kommenden Jahren eine umfassende Verdrängung der herkömmlich eingesetzten Dieselbusse bewirken. Ohne anhaltende finanzielle Unterstützung durch Bund und Länder werden die Kommunen kaum in der Lage sein, den rechtlich vorgegebenen Anforderungen bei Aufrechterhaltung und – mit Blick auf die angestrebte Verkehrswende – Steigerung der Leistungsfähigkeit des ÖPNV zu entsprechen.

 

 

Prof. Dr. Matthias Knauff, LL.M. Eur., ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Öffentliches Wirtschaftsrecht, geschäftsführender Direktor des Instituts für Energiewirtschaftsrecht und Leiter der Forschungsstelle für Verkehrsmarktrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er ist zudem Richter am Thüringer Oberlandesgericht (Vergabesenat) und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesminister für Verkehr. Im Nomos Verlag gibt er u.a. die Reihe „Schriften zum Verkehrsmarktrecht“ heraus.