Quo vadis, Demokratie?
Democracy by Design

27.05.2025

Quo vadis, Demokratie?
Democracy by Design – Wie Plattformdesign demokratisches Handeln fördert

Digitale Plattformen strukturieren nicht nur Kommunikation und Interaktion – sie beeinflussen auch politische Teilhabe. Doch wie tief reicht dieser Einfluss? Und wie lässt sich Design gezielt für demokratische Zwecke einsetzen?

Dr. Sophie Jörg, Autorin des Werkes Democracy by Design?, thematisiert in ihrem Beitrag demokratiefördernde Potenziale digitaler Infrastrukturen, die Erweiterung des politischen Raums und das Spannungsfeld zwischen Demokratie und digitalem Kapitalismus.

Populismus in Zeiten der Krise : Gefahr für den Staat oder Symptom seiner Schwäche?

Immer wieder wurden Idealvorstellungen vom bürgerlichen Leben, die damit verbundenen Rechte und die Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen, formuliert. Wie äußert sich klassischerweise das Selbstverständnis als Bürger/Bürgerin in einer Demokratie?

In der politischen Ideengeschichte zeichnet sich das Bürger-Sein seit der Antike vor allem durch politische Teilhaberechte Das heißt, das per Gesetz zugeschriebene Privileg, bestimmte Freiheiten im Rahmen des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses innerhalb des Gemeinwesens ausüben zu dürfen. Wobei im rechtlichen Sinne keine Pflicht zur Ausübung dessen vorliegt; aus moralischer Sicht hingegen lässt sich für eine „Bürger-Pflicht“ zur politischen Teilhabe argumentieren. Bürgerinnen und Bürger werden also zu aktiven Gestaltern der Gesellschaft, indem sie ihr Wahlrecht ausüben, sich in Vereinen oder Parteien engagieren oder Demonstrationen organisieren.

Wie müssen wir uns die digitale Weiterentwicklung dieses Selbstverständnisses vorstellen?

Die Weiterentwicklung dessen wurde durch das digitale Aufweichen der bislang geltenden Staatsgrenzen geprägt. Dank der Digitalisierung und der damit verbundenen Vernetzung weltweit stellt sich die Frage nach der Belastbarkeit des bis dato an Staatsgrenzen gebundenen Bürgerbegriffs. Schließlich agieren Bürgerinnen und Bürger in digitalen Räumen weit über ihre eigentlichen Staatsgrenzen hinaus: Sie diskutieren in anonymen Foren mit Menschen aus anderen Ländern, folgen internationalen Bewegungen, wie FridaysForFuture, oder planen weltweite Demonstrationen, wie jüngst den Käuferstreik aufgrund der Zoll-Politik der Trump Administration. Der politische Raum erweitert sich. Gleichzeitig gilt dies nicht automatisch für die Rechte, aber auch Pflichten seiner Bürger. Vielmehr müssen diese ins Digitale „übersetzt“ werden. Was z.B. heißt es für das Versammlungsrecht oder die Meinungsfreiheit, wenn diese digital ausgeübt werden? Oder endet mit Immanuel Kant die Freiheit des demokratischen Bürgers in der digitalen Debatte genau dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt? Durch die verstärkte Kommunikation auf Plattformen, wie X, Instagram oder TikTok, betreten auch neue, mächtige Akteure die politische Bühne. Letztlich agieren Tech-Konzerne, wie Meta und Co., als eine Art moderner „Gate-Keeper“, indem sie entscheiden, wer und was zum digitalen Diskurs auf ihren Plattformen zugelassen wird.

Woran erkennt man, nach Ihren Erkenntnissen, entdemokratisierende Strukturen von Social-Media-Plattformen?

Kurz gesagt daran, ob sie die notwendigen Bedingungen für demokratisches Handeln schaffen. Begünstigen sie die Beteiligung und Inklusion möglichst vieler Menschen und deren Meinung, oder schließt der Algorithmus bestimmte Personen beispielsweise aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit oder anderer Merkmale aus? Wie transparent und einfach sind die Plattformen zu bedienen? Ist ein teures Abo notwendig, um bestimmte Inhalte einsehen und in Foren mitdiskutieren zu können? Wurde der Algorithmus der Plattform so programmiert, dass er uns ähnliche Meinungen zu unserer anzeigt, oder werden wir auch gezielt mit anderen Lebensentwürfen konfrontiert?

Oder demokratietheoretischer gesprochen: Strukturen von Social-Media-Plattformen gelten genau dann als „demokratisierend“ – also demokratieförderlich, wenn deren Design die demokratischen Normen der Inklusion, Partizipation, Transparenz, Zugänglichkeit, Egalität, des Pluralismus etc. berücksichtigt.

Wie würde, nach Ihrer Ansicht, eine optimale Plattform-Landschaft aussehen? Lässt sich das zusammenfassend umschreiben?

Bei viel Wunschdenken würde eine optimale Plattform-Landschaft ihre Nutzerinnen und Nutzer nicht zu politischem Handeln zwingen, ihnen aber die Möglichkeit bieten, auch in dem hier aufgespannten digitalen Raum ihre politische Autonomie auszuüben. Das würde aber auch bedeuten, dass User nicht gezielt mittels Hate Speech, Desinformation oder micro-targeting manipuliert werden dürften.

Inwieweit bringt eine wirtschaftliche Orientierung Chancen und Risiken für eine demokratieförderliche Gestaltung von Social Media Plattformen mit sich?

Der zentrale Konflikt liegt meines Erachtens in der Profit-orientierten Plattformökonomie jener Tech-Konzerne, die tief in deren Konzernstrukturen verankert ist. Im Sinne eines digitalen Kapitalismus, in dem Daten das wertvollste Gut darstellen, wird das Nutzerverhalten der Community zu monetarisieren versucht.

So sind Social-Media-Plattformen zumeist auf Unterhaltung und das Triggern von Emotionen, nicht auf Fakten-basierte, respektvolle Diskussionen und Teilhabe ausgelegt. Schließlich verbringt man als User weniger Zeit auf einer Plattform, die einen Andersdenkenden aussetzt. Denn ein anstrengender Austausch von Meinungen und Argumenten ist oft unbequemer und weniger unterhaltsam als das Konsumieren von vermeintlich unverdächtigen Videos auf TikTok.

 

Unsere Beiträgerin

Nach ihrem Studium der Politikwissenschaft und der Philosophie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie der Duke University (NC, USA) fokussierte Sophie Jörg, Dr., ihre Forschung auf politiktheoretische Technikreflexionen. In ihrer Lehre und den Projekten, an denen sie beteiligt ist, untersucht sie v.a. die reziproke Wirkung von Technik und dem Menschen in seiner politischen Lebensform. Kürzlich erschien ihr Werk  Democracy by Design? im Karl Alber Verlag.