Wahlen unter dem Brennglas – Kommunalwahl 2025 in NRW

06.08.2025

Wahlen unter dem Brennglas – Kommunalwahl 2025 in NRW

Zu sehen ist der Header für das Thema Kommunalrecht. Die Farbe ist ein Ocker, im Hintergrund ist eine Stadt zu sehen, im Vordergrund der Autor Dominik Luck.

Von Dr. Dominik Lück

Im Mai 2025 – nur wenige Monate vor den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen am 14. September – traf der Verfassungsgerichtshof des Landes zwei viel beachtete Entscheidungen zum Kommunalwahlrecht.
Zunächst erklärte er am 6. Mai 2025 § 15a Abs. 1 KWahlG NRW für verfassungswidrig. Die Vorschrift verpflichtete Wählergruppen zur Vorlage von Rechenschaftsberichten als Voraussetzung für ihre Wahlzulassung. Das Gericht sah darin einen Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG.
Am 20. Mai 2025 erklärte der Verfassungsgerichtshof sodann die im Jahr zuvor eingeführte Änderung des § 33 Abs. 2 KWahlG NRW für verfassungswidrig. Mit dieser war das bewährte Divisorverfahren mit Standardrundung nach Sainte-Laguë/Schepers durch das sogenannte Rock-Verfahren (Quotenverfahren mit prozentualem Restausgleich) ersetzt worden. Der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass das neue Verfahren kleinere Parteien systematisch benachteilige und damit sowohl gegen die Wahlgleichheit als auch gegen die Chancengleichheit politischer Parteien verstoße. Eine verfassungsrechtlich zwingende Rechtfertigung für diese zusätzliche Erfolgswertungleichheit habe der Gesetzgeber nicht geliefert.

Korrekturen im KWahlG NRW erfolgt

Der Landtag NRW hat auf beide Entscheidungen rasch reagiert: Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und der Kommunalwahlordnung vom 10. Juni 2025 wurde § 15a KWahlG NRW ersatzlos gestrichen. Zugleich sieht § 33 Abs. 2 KWahlG NRW in der aktuellen Fassung nun wieder das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren zur Sitzverteilung vor.

Zunahme von Wahlprüfungsverfahren

Trotz dieser schnellen Korrekturen bleibt das Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen auch weiterhin eine juristische Herausforderung. Insbesondere auf kommunaler Ebene ist seit einigen Jahren zu beobachten, dass Wahlen und Abstimmungen vermehrt Gegenstand von Wahlprüfungsverfahren werden.
 
Das Gesetz sieht hierfür ein zweistufiges Prüfungsverfahren vor: Zunächst ist zu klären, ob überhaupt ein Wahlfehler vorliegt (§ 39 Abs. 1, 2 KWahlG NRW). Hierzu müssen sich aus Wahlunterlagen oder Stimmbezirksprotokollen konkrete Anhaltspunkte ergeben – etwa Rechen- oder Zählfehler, die sich durch Nachzählungen regelmäßig durch die Wahlausschüsse korrigieren lassen.
 
Problematischer sind hingegen Wahleinsprüche, die sich mit dem konkreten Verhalten Einzelner während der Wahl befassen. So wurde anlässlich einer Bürgermeisterwahl in Sachsen-Anhalt geltend gemacht, eine Kandidatin habe eine unzutreffende Berufsbezeichnung auf dem Stimmzettel geführt. In Brandenburg wiederum stand der Vorwurf im Raum, ein Bewerber habe im örtlichen Altenheim die Briefwahl beeinflusst – indem er angeblich mit Seniorinnen und Senioren die Stimmzettel gemeinsam ausgefüllt habe. In solchen Fällen ist der Nachweis eines Wahlfehlers besonders schwierig. Meist kommen nur Zeugenaussagen in Betracht, die sich nicht selten widersprechen – mit der Folge, dass ein konkreter Verstoß nicht festgestellt werden kann.
 
Aber auch wenn ein Wahlfehler festgestellt wird, hat dieser nur dann Auswirkungen auf die Wahl, wenn er für das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluss gewesen sein kann (§ 40 Abs. 1 lit. b) KWahlG NRW) – also mandatsrelevant ist. Das heißt: Er muss geeignet sein, das Wahlergebnis im Stimmbezirk oder die Sitzverteilung über die Reserveliste zu beeinflussen (§ 40 Abs. 1 lit. b KWahlG NRW). Nicht jeder Verstoß gegen Wahlvorschriften führt automatisch zur Ungültigkeit der Wahl. Die Prüfung der Gültigkeit obliegt nach einer Vorprüfung zunächst dem neugewählten Rat bzw. Kreistag (§ 40 Abs. 1 KWahlG NRW). Gegen dessen Entscheidung kann binnen eines Monats Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werden (§ 41 KWahlG NRW). Dass im Ergebnis eines derartigen Verfahrens eine Wahl tatsächlich wiederholt werden muss, ist die absolute Ausnahme.

Vertrauen in rechtsstaatliche und faire Wahlen stärken

Die Erfahrungen aus den Kommunalwahlen in den ostdeutschen Bundesländern des vergangenen Jahres zeigen jedoch: Selbst unbegründete Einsprüche genügen, um das Vertrauen in die Wahl zu erschüttern. Ob über soziale Netzwerke oder in der Lokalpresse – der Vorwurf einer „unfairen Wahl“ bleibt haften, selbst wenn sich kein Wahlfehler objektiv feststellen lässt. Umso wichtiger bleibt es, Verfahren und rechtliche Anforderungen verständlich zu kommunizieren und das Vertrauen in faire und rechtsstaatlich einwandfreie Wahlen zu stärken.

 

 

Dr. Dominik Lück, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, DOMBERT Rechtsanwälte. Er referiert und publiziert regelmäßig zu Themen des Kommunalrechts und ist Hauptschriftleiter der Zeitschrift für Landes- und Kommunalverwaltung (LKV), die im Nomos Verlag erscheint.