Hybride Rechtsdurchsetzung im Verpackungsrecht

06.06.2024

Hybride Rechtsdurchsetzung im Verpackungsrecht

von Dr. Lukas Preiß

Die bis 2018 geltende Verpackungsverordnung wurde wegen ihres Regulierungsmodus einst als Prototyp der Regulierten Selbstregulierung beschrieben. Die Inverkehrbringer von Verpackungen sollten als Verursacher die Sammlung und Verwertung ihrer Verpackungen übernehmen. Wie das umzusetzen war, schrieb die Verpackungsverordnung nur grob vor. Insoweit konnten sich die privaten Akteure selbstregulieren. Gleichwohl wurde die Verordnung im Verlauf der Zeit punktuell strenger, weil das zuständige Bundesumweltministerium unterschiedliche Probleme (z. B. Trittbrettfahrerei der Inverkehrbringer, die nicht für die Entsorgung ihrer Verpackungen zahlten, und Falschmeldungen der Entsorger über die bei ihnen beteiligten Verpackungen) als Folge der Selbstregulierung feststellte. Mit Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes am 1.1.2019 schrieb der Gesetzgeber deswegen eine Marktüberwachungsbehörde vor, die Stiftung „Zentrale Stelle Verpackungsregister“ (Zentrale Stelle).

Fortsetzung der Regulierten Selbstregulierung

Obgleich die Beschreibung des Verpackungsrechts als „Regulierte Selbstregulierung“ nicht mehr ausreichend ist, trifft sie trotz der neuen Zentralen Stelle noch immer zu. Denn die Zentrale Stelle ist eine selbstregulative Institution. § 24 Abs. 1 VerpackG schreibt privaten Akteuren des Verpackungsmarkts vor, die Zentrale Stelle zu errichten. In den §§ 25–28 VerpackG macht der Gesetzgeber darüber hinaus weitere Vorgaben, u. a. zur Organisation der Zentralen Stelle. So schreibt § 28 VerpackG mehrere Organe vor. Neben dem Vorstand ist das Kuratorium das wichtigste Organ. Darin sitzen unterschiedliche Vertreter aus der Privatwirtschaft und aus Behörden. Die Vertreter privater Akteure haben die Stimmenmehrheit inne und können damit wesentliche Entscheidungen aus ihrer privatwirtschaftlichen Logik treffen.

Veränderter Modus der Aufgabenwahrnehmung

Gleichzeitig sind aber staatliche Merkmale in der Organisation und Aufgabenwahrnehmung festzustellen. Die Zentrale Stelle ist in § 26 Abs.1 VerpackG mit hoheitlichen Befugnissen beliehen. Daneben ist sie in die Bundesverwaltung eingegliedert, da sie der Rechts- und Fachaufsicht des Umweltbundesamtes (§ 29 Abs.1 VerpackG) und der Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof (§ 29 Abs. 2 VerpackG) unterliegt. In meiner Dissertation komme ich außerdem zu dem Ergebnis, dass die Zentrale Stelle eine Bundesbehörde im Sinne des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG ist. Ferner basiert die Aufgabenwahrnehmung der Zentralen Stelle auf einer aus gesetzlichen Geboten resultierenden Datenkonzentration. Inverkehrbringer müssen Informationen zu ihren vertriebenen und Entsorger zu verwerteten Verpackungen an die Zentrale Stelle melden. Diese Daten kann die Behörde nutzen, um die Akteure zu kontrollieren. Im Vergleich zu Zeiten der Verpackungsverordnung führt das zu einer effizienteren Durchsetzung von Verpackungsrecht. Das kann z. B. mit der sinkenden Trittbrettfahrerei unter den Inverkehrbringern und den wohl gelösten Problemen zwischen den Entsorgern belegt werden.

Fazit und Ausblick

Weil die Zentrale Stelle entsprechende Erfolge nur aufgrund gesetzlicher Gebote sowie ihrer Beleihung und damit aufgrund einer staatlichen Handlungslogik erzielen kann, die Zentrale Stelle gleichzeitig aber auch geleitet ist von privatwirtschaftlicher Logik (Bsp.: Kuratorium), ist das Verpackungsrecht als hybride Rechtsdurchsetzung zu beschreiben. Welch wirtschaftliche Bedeutung die Rechtsdurchsetzung durch die Zentrale Stelle mitunter haben kann, zeigte sich in anderer Angelegenheit kürzlich vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück (Beschl. v. 11.10.2023 – 7 B 28/23). Das VG Osnabrück bestätigte ein partielles Berufsausübungsverbot zum Nachteil eines Sachverständigen. Die Zentrale Stelle listete den Sachverständigen aus dem von ihr geführten Prüferregister aus (§ 29 Abs. 4 VerpackG). Dazu ist die Behörde befugt, wenn z. B. ein Sachverständiger wiederholt und grob pflichtwidrig gegen die von der Zentralen Stelle erlassenen Prüfleitlinien verstößt. Der betroffene Sachverständige darf vorerst keine verpackungsgesetzlichen Prüfungen mehr vornehmen. Bei dem Beschluss des Verwaltungsgerichts handelt es sich um eine der ersten gerichtlichen Entscheidungen über das Handeln der Zentralen Stelle. Es ist angesichts der Reichweite ihrer Befugnisse und der wirtschaftlichen Bedeutung ihrer behördlichen Entscheidungen davon auszugehen, dass weitere Judikate folgen werden.

 

 

Dr. Lukas Preiß ist seit Juni 2023 Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Oldenburg. Seine Dissertation „Regulierte Selbstregulierung und hybride Rechtsdurchsetzung – Die Entwicklung der Zentralen Stelle im Verpackungsgesetz“ ist im Nomos Verlag erschienen. Sein Beitrag zum Thema „Die Zentrale Stelle Verpackungsregister – ein hybrides Gebilde zwischen Staatlichkeit und Privatwirtschaftlichkeit“ wurde in der ZfPC 2/2024, 54 publiziert.