Aktive Nutzer, spontane Meldung – erste Leitlinien für den DSA

13.02.2023

Aktive Nutzer, spontane Meldung – erste Leitlinien für den DSA

Michael Denga, Digital Services Act, Beitragsbild

Beitrag von PD Dr. Michael Denga

Der Digital Services Act (DSA) soll das wegweisende Regelwerk der EU für „ein sichereres, vorhersehbares und vertrauenswürdiges Online-Umfeld“ sein (Art. 1 Abs. 1 DSA). Die am 16. November 2022 in Kraft getretene Verordnung betrifft alle digitalen Dienste, die ihre Nutzer mit Waren, Dienstleistungen oder Inhalten verbinden, reguliert allerdings insbesondere solche Vermittlungsdienste stark, die wegen hoher Nutzerzahlen als „systemrelevante Plattformen“ gelten (Kapitel III Abschnitt 5 des DSA).

Verhaltenspflichten für „systemrelevante Plattformen“

Die spezifischen Pflichten reichen weit in die Unternehmens-Governance hinein und sind kostspielig: Beispielsweise müssen regelmäßige Audits erfolgen und eine professionelle Compliance-Abteilung eingerichtet werden, welche die Überwachung von gesellschaftlichen Risiken, die von der Plattform ausgehen, und entsprechende Gegenmaßnahmen verantwortet. Wenngleich das Pflichtenkonzept und der Ansatz der weitgehenden Selbstregulierung erhebliche Spannungen mit der Grundrechtecharta und den Grundfreiheiten erzeugen, bleibt Vermittlungsdienstleistern bis zur Klärung durch den EuGH nichts anderes übrig, als den DSA umzusetzen.

Informationen über Nutzerzahlen sind schon jetzt zu veröffentlichen

Obwohl die Verordnung erst ab dem 17. Februar 2024 gilt, müssen Anbieter nach Art. 24 Abs. 2 DSA bereits ein Jahr vorher – also in den kommenden Tagen! – zum ersten Mal „Informationen über die durchschnittliche monatliche Zahl ihrer aktiven Nutzer in der Union“ veröffentlichen, welche Grundlage für die Qualifizierung als systemrelevante Plattform sind. Die Bestimmung dieser Nutzerzahl wirft für Vermittlungsdienste allerdings zahlreiche Fragen auf.

Wer ist ein „aktiver Nutzer“?

Erwägungsgrund 77 DSA hilft bei der Konkretisierung. Danach soll die Meldung „alle Nutzer widerspiegeln, die den Dienst in einem bestimmten Zeitraum tatsächlich mindestens einmal in Anspruch nehmen, indem sie Informationen ausgesetzt sind, die über die Online-Schnittstelle der Online-Plattform verbreitet werden“. Maßgeblich soll das – unklare – Konzept des „aktiven Nutzers“ sein, welches jedoch nicht nur komplexere Nutzungen wie das „Anklicken, Kommentieren, Verlinken, Teilen, Kaufen oder Durchführen von Transaktionen“ erfasst. Lediglich passiv indexierte Websites oder „automatisierte Nutzer wie Bots oder Scraper“ fallen nicht darunter. Zudem sollen Mehrfachzählungen über verschiedene Geräte hinweg vermieden werden.

Leitlinien der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission hat zum 1. Februar unverbindliche Leitlinien veröffentlicht, um die Meldung der Nutzerzahl zu erleichtern, wobei sie bedauerlicherweise kaum auf Erwägungsgrund 77 DSA eingeht. Immerhin bestätigt sie, dass sowohl Verbraucher als auch gewerbliche Nutzer „aktive Nutzer“ sein können und dass eine Registrierung oder ein Transaktionsabschluss nicht erforderlich ist.

Aufforderung zur „spontanen Übermittlung“

Bemerkenswerterweise implizieren die Leitlinien, dass die Nutzermeldung ohne Veröffentlichung der „tatsächlichen Zahl der aktiven Nutzer“ möglich ist; verpflichtend sei alleine eine „Information über die Zahl“ (Ziffer 2). Diese Ambivalenz sollte jedoch für Unternehmen kein Anlass für Verschleierungstaktiken sein, denn die Nutzerzahlen können behördlich angefragt werden (Art. 24 Abs. 3 S. 2 DSA). Die Europäische Kommission hat zuletzt kaum Zweifel daran gelassen, die „Digitale Souveränität“ der EU mit allen Mitteln durchsetzen zu wollen. Daher ist die Aufforderung der Leitlinien zur „spontanen Übermittlung“ durchaus als Chance zur Kooperation wahrzunehmen. Die praktischerweise gleich in den Leitlinien mit angegebene E-Mail-Adresse für diesen Zweck lautet: CNECT-DSA-Registry@ec.europa.eu.


PD Dr. Michael Denga, LL.M. (London), Maîtr. en Droit (Paris), ist derzeit Lehrstuhlvertreter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und forscht schwerpunktmäßig im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie im IT-Recht. Er wirkt am Nomos Handbuch „Europäische Plattformregulierung“ mit, das im Frühjahr erscheint. Darüber hinaus ist er Mitherausgeber des Handbuchs „EU Platform Regulations“, das im Sommer als Kooperationstitel der Verlage C.H.BECK, Hart Publishing und Nomos erscheint.