Das Metaverse – kein rechtsfreier Raum

10.10.2023

Das Metaverse – kein rechtsfreier Raum

Dr. Kuuya Chibanguza und Dr. Hans Steege

Beitrag von Dr. Kuuya Josef Chibanguza, LL.B. und Dr. iur. Dr. rer. pol. Hans Steege

Das Konzept Metaverse wurde in den letzten Jahren immer weiter ausgebaut. Diese Entwicklung wird dabei insbesondere von privaten Akteuren vorangetrieben, wie etwa durch Apple mit der Ankündigung der neuen VR-Brille „Apple Vision Pro“.

Beim Eintritt in das Metaverse ergeben sich vielfältige rechtliche Fragestellungen. Auf nationaler und europäischer Ebene gibt es zwar noch kein „Metaverse-Gesetz“, für die Anbieter von Metaversen gilt es aber dennoch, eine Vielzahl von verschiedenen gesetzlichen Anforderungen zu beachten. Durch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten in den verschiedensten Lebensbereichen müssen sich Anbieter von Metaversen einer großen Anzahl von rechtlichen Herausforderungen stellen. Dabei kommen aber auch die Nutzer eines Metaverse mit verschiedenen Gesetzen in Berührung.

Regulierung des Metaverse

Geht es um die Herstellung und den Vertrieb von Hardware, wie etwa VR-Brillen, so gilt dafür das tradierte Produktrecht, gleich ob es um die Produktsicherheit, den Marktzugang oder etwaige Produktvorfälle geht. „Analoges“ Produktrecht gilt allerdings zumeist nicht für Produkte im Metaverse, da es an der Körperlichkeit der Gegenstände fehlt.

Die Vorschriften des Digital Service Act (DSA) und des Digital Markets Act (DMA) legen den Anbietern Pflichten auf, die insbesondere „Hate Speech“ und „Fake News“ verhindern sollen. Anzumerken ist, dass es derzeit im Hinblick auf die genannten Rechtsakte an der Anwendbarkeit fehlt – hier sind zukünftig Änderungen zu erwarten. Allerdings müssen je nach Anbieter eines Metaverse wettbewerbsrechtliche Anforderungen berücksichtigt werden.

Dschungel aus anwendbaren Rechtsvorschriften im Metaverse

Der Zugang und die Nutzung eines Metaverse kann, bzw. muss, von den Anbietern durch Nutzungsbedingungen und Community-Guidelines geregelt werden. Bei diesen Werken handelt es sich rechtstechnisch um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die in Deutschland den rechtlichen Anforderungen der §§ 305 ff. BGB sowie einer umfassenden Judikatur unterliegen. Das AGB-Recht ist in Konstellationen der hier interessierenden Art auch den Wertungen der Grundrechte zugänglich, sodass über die sog. mittelbare Drittwirkung das Verfassungsrecht zu berücksichtigen ist. Von großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Meinungs-, die Presse- und die Religionsfreiheit sowie das Persönlichkeitsrecht des Nutzers. All dies erhöht die Anforderungen an die Konzeption und Anwendung von Community-Guidelines.

Mittlerweile selbstverständlich, jedoch im Kontext des Metaverse sehr anspruchsvoll, ist die Beachtung der DS-GVO.

Soll in einem Metaverse Werbung geschaltet werden, dann müssen dabei insbesondere die Bestimmungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags berücksichtigt werden, sofern Jugendliche Zugang zu jenem Metaverse haben. Im Einzelfall kann dies zu Werbebeschränkungen oder gar Werbeverboten führen.

In Bezug auf das Zustandekommen von Verträgen sind mit Blick auf den Verbraucherschutz – wie bei sonstigen Fernabsatzgeschäften – die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312 ff. BGB und der §§ 327 ff. BGB zu berücksichtigen. Zugunsten der Verbraucher müssen die Anbieter umfassende Informations- und Belehrungspflichten sowie Widerrufsrechte beachten. Eine ganz neue Bedeutung erlangt im Zusammenhang des Metaverse die Frage nach der Authentisierung sowie anschließend der Authentifizierung, um zu wissen, mit wem Verträge geschlossen wurden.

Auch die kommende KI-VO wird im Kontext des Metaverse relevant. Der technologieunabhängige Ansatz dieser geplanten Verordnung erlaubt eine Anwendung auf das Metaverse. Im Metaverse werden höchstwahrscheinlich insbesondere KI-Systeme mit geringerem (Art. 52 KI-VO-E) und minimalem Risiko (Art. 69 KI-VO-E) eingesetzt. Werden Chatbots oder Deepfakes genutzt, dann müssen die Anbieter darüber aufklären, dass nicht mit einer natürlichen Person interagiert wird, bzw. die erzeugten Inhalte künstlichen Ursprungs sind. Zusätzlich muss darauf geachtet werden, dass die Grenze zur verbotenen unterschwelligen Beeinflussung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a KI-VO-E nicht überschritten wird.

Die Entwicklung bleibt spannend

Die rasante Entwicklung und der Ausbau des Konzepts Metaverse erhöhen die Anforderungen, das Metaverse ganzheitlich zu erfassen. Gleichwohl hat die Europäische Kommission am 11.7.2023 angekündigt, den nächsten technologischen Wandel zu steuern. Auch ohne ein „Metaverse-Gesetz“ in absehbarer Zeit müssen Anbieter einen bunten Strauß an Anforderungen beachten, um rechtssicher ein Metaverse anzubieten bzw. im Metaverse zu agieren.


Dr. Kuuya Josef Chibanguza, LL.B. ist Rechtsanwalt und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er berät im Schwerpunkt zu Fragen der Künstlichen Intelligenz und der Digitalisierung. Er ist Herausgeber eines umfangreichen Handbuches zu KI sowie einem weiteren zum Metaverse (beide Nomos Verlag) sowie einer Fachzeitschrift und regelmäßiger Referent.

Dr. iur. Dr. rer. pol. Hans Steege arbeitet im Bereich Data Protection in einem Automobilkonzern und ist Lehrbeauftragter an der Universität Stuttgart und lehrt dort zu rechtlichen Aspekten von Künstlicher Intelligenz und des autonomen Fahrens. Er ist ua Mitherausgeber verschiedener Zeitschriften und Handbücher, etwa des Handbuchs Künstliche Intelligenz sowie des Rechtshandbuchs Metaverse im Nomos Verlag.