Grundgesetzliche Verfahrensgarantien im Sportgerichtsverfahren

27.05.2025

Grundgesetzliche Verfahrensgarantien im Sportgerichtsverfahren

Grundgesetzliche Verfahrensgarantien im Sportgerichtsverfahren

Von Dr. Markus Meier

Dem sportlichen Wettbewerb ist die Anwendung eines gemeinschaftlich anerkannten Regelwerkes immanent. Nur so ist ein aussagekräftiger Leistungsvergleich gewährleistet. Kommt es im Rahmen des Wettbewerbs zu Streitigkeiten, so ist zur Streitentscheidung – bei entsprechender satzungsrechtlicher Implementierung – regelmäßig die verbandseigene Sportgerichtsbarkeit berufen. Trotz ihrer Bezeichnung handelt es sich hierbei nicht um staatliche Gerichtsbarkeit, sondern um reine privatrechtliche Streitentscheidungsorgane eines Vereins. Genau wie der sportliche Wettbewerb unterliegt auch diese Sportgerichtsbarkeit selbstgesetzten Regeln. Ob und inwieweit diese Regelungsbefugnis jedoch unbeschränkt ist, unterliegt unterschiedlicher Bewertung. Sie führt daher nicht nur in aktuellen Beispielen wie der Entscheidung des DFB-Bundesgerichts nach dem Feuerzeugwurf in dem Spiel 1. FC Union Berlin – VfL Bochum (DFB-Bundesgericht, Urt. v. 28.2.2025) zu sportrechtlichen Diskussionen.

Verfassungsrechtlicher Schutz der Sportgerichtsbarkeit

Dass sich Vereine eine eigene Sportgerichtsbarkeit geben dürfen, folgt aus ihrer in Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Vereinsautonomie. Diese umfasst in sachlicher Hinsicht das Recht, die Vereins- und Verbandsorganisation autonom – also frei von staatlichen Einflüssen – auszugestalten. Dies gilt dem Grunde nach auch für die Aufstellung eigener Verfahrensregeln.

Grenzen der Verbandsautonomie

Da die Setzung der Verfahrensregeln der Sportgerichtsbarkeit auf der Verbandsautonomie aus Art. 9 Abs. 1 des Grundgesetzes fußt, muss sich diese Freiheit auch an den aus dem Grundgesetz folgenden Grenzen, insbesondere denen des kollidierenden Verfassungsrechts, messen lassen. Mit Blick auf die Organisation von Sportgerichtsverfahren gilt dies im Besonderen für die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes, die beispielsweise in Art. 101 ff. GG normiert sind.

Anwendbarkeit grundgesetzlicher Verfahrensgarantien im Sportgerichtsverfahren

Die Anwendbarkeit dieser Verfahrensgarantien des Grundgesetzes ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften des Grundgesetzes; diese gelten nur für die staatliche Gerichtsbarkeit. Allerdings wird die Anrufung der Sportgerichte regelmäßig der Anrufung staatlicher Gerichte vorgeschaltet. Es gilt der Grundsatz des Vorrangs des Verbandsrechtswegs. Wird dieser Verbandsrechtsweg nicht ausgeschöpft, so kann Klagen vor den ordentlichen Gerichten das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Denn die Anrufung der Sportgerichtsbarkeit stellt grundsätzlich einen einfacheren und schnelleren Weg der Überprüfung einer Verbandsmaßnahme dar. Ein Eingriff in die Verbandsautonomie durch staatlichen Richterspruch wäre (noch) nicht gerechtfertigt. Durch Zeitablauf oder Versäumung von verbandsinternen Rechtsbehelfsfristen kann es dazu kommen, dass staatliche Gerichte im Ergebnis Verbandsmaßnahmen nicht mehr – wenn auch nur eingeschränkt, aber unter Gewährleistung verfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien – auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen können. Der Anspruch des am Sportgerichtsverfahren Beteiligten auf effektiven zivilgerichtlichen Rechtsschutz unter Einhaltung grundgesetzlicher Verfahrensgarantien aus Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG wird hierdurch nicht gewahrt. Daher sind diese im vorgelagerten Sportgerichtsverfahren zu berücksichtigen.

Anwendungsgrenzen des staatlichen Verfassungsrechts im Sportgerichtsverfahren

Diese grundsätzliche Anwendbarkeit grundgesetzlicher Verfahrensgarantien des Grundgesetzes gilt indes nicht uneingeschränkt. Vielmehr sind diese mit der Reichweite der Verbandsautonomie aus Art. 9 Abs. 1 GG im Sinne praktischer Konkordanz in einen schonenden und effektiven Ausgleich zu bringen. Hierbei kommt den Verbänden ein Beurteilungsspielraum zu, den sie durch Aufstellung entsprechender Verfahrensregeln nutzen können, um einer ergänzenden Auslegung durch den staatlichen Rechtsanwender zuvorzukommen.

 

 

Dr. Markus Meier ist derzeit Rechtsreferendar am OLG Köln und aktiver Fußball-Schiedsrichter sowie Vorsitzender eines Sportgerichts im Fußball-Verband Mittelrhein. Er promovierte an der Universität zu Köln (Prof. Dr. Burkhard Schöbener) zu dem Thema „Grundgesetzliche Verfahrensgarantien im Sportgerichtsverfahren“. Sein Werk ist im Nomos Verlag in der Reihe „Kölner Schriften zum Sportrecht“ Bd.9 aktuell erschienen.