Rolle und Rechte der Fans bei Sportübertragungen

30.09.2024

Rolle und Rechte der Fans bei Sportübertragungen

Von Dr. Christian Dohmen

Sog. „Übertragungsrechte“ existieren nicht

Sportveranstaltungen „gehören“ – entgegen der üblichen Beanspruchung (Stichwort: „Übertragungsrechte“) – nicht im Sinne einer positiven rechtlichen Zuweisung den Sportveranstaltern. Sie sind nämlich als solche nicht immaterialgüterrechtlich geschützt. (Laufbild-)Schutzrechte am sog. Basissignal einer Sportübertragung beantworten nicht die vorgelagerte Frage, wer darüber bestimmen darf, ob und von wem Aufzeichnungen angefertigt werden dürfen. Nur das Hausrecht erlaubt, in gewissem Umfang darüber zu bestimmen, wer die Veranstaltungsstätte zu Übertragungszwecken betreten darf.

Zentral- und Exklusivvermarktung kartellrechtswidrig

Gerade im Sport darf mit Blick auf dessen gesellschaftliche Bedeutung nicht zulasten der Fans großzügig auf die Freistellungsvoraussetzungen verzichtet werden. Wie der EuGH in seiner Superleague-Entscheidung betont hat, verbietet das Kartellrecht vielmehr ein zum Nachteil der Endverbraucher mittels Wettbewerbsbeschränkungen umgesetztes Vermarktungsmodell. Die gängige Zentral- und Exklusivvermarktung ist daher kartellrechtswidrig und abzustellen. Wegen der spezifischen Nachfrage der Fans, die bestimmte und nicht irgendwelche Spiele sehen wollen, beschränken die Endkundenmärkte sich meist auf Übertragungen einzelner Veranstaltungen. Durch Exklusivvermarktung wird somit die Markmacht des Vermarkters ungebrochen an die Sender weitergereicht. Auf diese Weise werden die nachgelagerten Endkundenmärkte abgeschottet. Fans finden lediglich einen Anbieter für die Übertragung einer bestimmten Veranstaltung vor und haben damit keine Ausweichmöglichkeiten. Solange ihnen die Übertragung der jeweiligen Sportveranstaltungen exklusiv gestattet wird, stehen Sender nicht in echtem Wettbewerb zueinander, sondern operieren auf separaten Endkundenmärkten, die sie infolge der Exklusivität beherrschen.

 

In der Exklusivvermarktung liegt zudem eine missbräuchliche Ausnutzung von Markmacht. Ohne Zugangsgewährung zur Veranstaltungsstätte oder Belieferung mit einem Basissignal können Sender nämlich nicht auf dem Endkundenmarkt für Übertragungen der betreffenden Veranstaltung auftreten. Bei Exklusivvermarktung wird diese für den Marktzugang unerlässliche gewerbliche Leistung allen Nachfragern bis auf einen verweigert.

 

Das BKartA hat die Kartellrechtsverstöße im Jahre 2024 im Wege eines Vorsitzendenschreibens noch „toleriert“. Die dabei wohl handlungsleitende Sorge des BKartA, mit einer Abstellung der Exklusivvermarktung die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Ligen und Vereine zu gefährden, ist unbegründet. Es deutet nämlich nichts darauf hin, dass bei nicht-exklusiver Vermarktung geringere Erlöse erzielt würden. Im Sinne eines „level-playing-field“ im europäischen (Sport-)Wettbewerb wäre gleichwohl eine unionsweite Durchsetzung des Kartellrechts durch die EU-Kommission vorzugswürdig (und geboten).

 

Das Vorsitzendenschreiben bietet Sportveranstaltern keinen Schutzschirm. Vielmehr sind Gerichte an die Entscheidung des BKartA, kein Verfahren gegen die DFL GmbH einzuleiten, nicht gebunden. Womöglich schaufeln DFL und DAZN der Exklusivvermarktung daher selbst ein Grab, wenn sie ihre schiedsgerichtliche Auseinandersetzung über die Bundesliga-Auktion – wie von DAZN angekündigt – vor einem staatlichen Gericht fortsetzen. Dieses müsste nämlich gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO den Schiedsspruch wegen Kartellrechtsverstoßes aufheben.

Keine Haftung für Nutzer von (Sport-)Livestreams

Fans, die auf unautorisierte (Sport-)Livestreams im Internet ausweichen, begehen dadurch i.d.R. keine Urheberrechtsverletzung. Die im Zuge der Nutzung entstehenden temporären Vervielfältigungen sind häufig gem. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässig. Ein Livestream ist nämlich keine öffentliche Zugänglichmachung, sondern eine Sendung. Da der Standort der Streaming-Server für die Nutzer i.d.R. nicht erkennbar ist und es Länder gibt, in denen kein Leistungsschutzrecht für Sendeunternehmen existiert, ist zudem regelmäßig nicht offensichtlich, ob bzw. dass eine Vorlage rechtswidrig hergestellt wurde. In jedem Falle sind die temporären Vervielfältigungen gem. § 44a Nr. 2 UrhG zulässig, denn sie dienen allein dem digitalen Werkgenuss und damit einer rechtmäßigen Nutzung. Andere Auslegungen dieses Merkmals, wie z.B. die subjektive Auslegung in der „filmspeler“-Entscheidung des EuGH, sind mit dem strafrechtlichen Analogieverbot unvereinbar.

 

 

Dr. Christian Dohmen ist gegenwärtig Rechtsreferendar beim LG Düsseldorf. Er promovierte an der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bei Prof. Dr. Rupprecht Podszun zum Thema „Rolle und Rechte der Fans bei Sportübertragungen. Wem gehört der Sport ‒ und zu welchem Anteil? Bewertung von Zentralvermarktung, Exklusivvermarktung & (Live-)Streaming“. Seine Dissertation erscheint demnächst beim Nomos Verlag in der Reihe „Schriften zum Sportrecht“.