Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung

04.08.2021

Musikwirtschaft im Zeitalter der Digitalisierung

-1- In Ihrer neuen Publikation setzen Sie sich mit der Digitalen Transformation der Musikwirtschaft auseinander. Hat die Digitalisierung hier sämtliche Teilbereiche durchdrungen?

Ja, das kann man definitiv so sagen, wenngleich es natürlich auch noch Prozesse gibt, die sehr klassisch und analog ablaufen. Es finden sich aber in jedem musikwirtschaftlichen Teilsegment, von der Recording Industry, über die Live- und Entertainmentbranche, das Musikverlagswesens, den Instrumentenhandel bzw. die Musikproduktion bis hin zur Musikvermittlung digitale oder digitalisierte Prozesse, wenn nicht sogar digitale Geschäfts- und Erlösmodelle wieder. Das zieht wiederum Handlungskompetenzen nach sich, die vor 20 Jahren noch nicht erforderlich waren. Um diese geht es auch vorrangig in unserem Buch. Die m.E. letzte Teilbranche, die vor einem elementaren Umbruch steht, ist die Live- und Entertainmentindustrie. Zwar finden wesentliche eCommerce-Prozesse durch die digitalen Ticketingshops auch hier bereits seit Jahren statt, aber die Potenziale, die die Digitalisierung hier mit sich bringt, sind noch längst nicht ausgeschöpft.

 

-2- Kann man noch erfolgreich in der Musikwirtschaft sein, wenn man nicht mit der Digitalisierung Schritt hält?

Die Branche ist gekennzeichnet durch eine komplexe Arbeitsteilung. Einige Wertschöpfungsschritte sind mehr, andere weniger mit digitalen Prozessen verbunden. Insofern wird es sicherlich auch in Zukunft Menschen geben, die von oder durch Musik und ihrer wirtschaftlichen Auswertung leben können, ohne sich allzu sehr mit den technischen Aspekten auseinandersetzen zu müssen. Eine gewisse Grundkompetenz muss aber vorhanden sein. Ich würde von jeder Person, die sich dazu entscheidet in die Branche professionell einzusteigen, erwarten, dass es eine Bereitschaft und Motivation gibt, sich hiermit zu beschäftigen. Das gilt insbesondere für Menschen, die sich in den musikwirtschaftlichen Unternehmen bewegen oder sich selbständig machen und ein Unternehmen gründen möchten. Im Hinblick darauf würde ich – mal abgesehen davon, was „Erfolg“ konkret bedeutet – die Frage verneinen.

 

-3- Bei Ihrem neuen Werk handelt es sich um ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Inwiefern ist Ihr Buch für Profis der Musik- und Kreativbranche eine praktische Hilfe?

Wir beschreiben und erklären den Wandel und die Transformation. Dies hilft zu verstehen, warum wir gewachsene Strukturen und Praktiken haben, die auf dem Prüfstand stehen und adaptiert werden müssen. So sind früher übliche Prozesse heute teilweise als Relikte anzufinden, die längst verändert werden müssen. Ein Beispiel: Der Musikverlag Sony Music Publishing (SMP) hat unlängst angekündigt, in Zukunft die Ausschüttungen der Tantieme an ihre Vertragspartner – die Komponierenden und Textdichter*innen – nicht mehr mit eventuellen ungetilgten Vorschüssen zu verrechnen, und zwar für alle Verträge, die vor dem Jahr 2000 abgeschlossen wurden. Das Unternehmen folgt damit einer Initiative des Labels Sony Music Group. Dieser Schritt hat sehr viel mit den neuen digitalen Erlösarten in Form der Streaming-Modelle und den damit verbundenen Erwartungen einer langfristigen Auswertung von so genannten Musikkatalogen zu tun. Die Binnenverteilung der Gewinne aus diesem Erlösmodell gilt gemeinhin als wenig künstler*innen-freundlich. Entsprechend ist diese Initiative als erster Schritt zu werten, eine gerechtere Verteilung anzustreben. Um das verstehen zu können, muss man aber wissen, wie sich der Wandel konkret vollzogen hat und welche nichtbeabsichtigten Konsequenzen die Anwendung alter Verträge auf neue Erlösmodelle mit sich bringt. Wir wollen also helfen ein Gesamtverständnis zu erlangen.

 

Das Buch beinhaltet aber auch Beschreibungen der derzeitigen musikwirtschaftlichen Praxis und versucht vor allem auch Profis zu inspirieren und weiterzubilden. Die Themen sind hierbei entlang der Wertschöpfungskette orientiert und setzen sich mit der Entwicklung von Künstler*innen, dem Marketing bis hin zu Musikvertrieb auseinander.

 

Letztendlich kann man sagen, dass das Buch sowohl einen Blick auf die Makro- als auch auf die Mikrostrukturen der Musikwirtschaft wirft und Themen beleuchtet, die einerseits ein Gesamtverständnis ermöglichen, andererseits Einblicke in die operative Musikvermarktung geben. Wir hoffen sehr, dass unser Buch einen Beitrag leistet unsere Branche weiter zu qualifizieren.