Mit Rechtsanwalt Volker Gerloff im Gespräch

11.01.2023

Mit Rechtsanwalt Volker Gerloff im Gespräch

Das Asylbewerberleistungsgesetz für die Soziale Arbeit

Vor Kurzem ist bei uns das Lehrbuch „Das Asylbewerberleistungsgesetz für die Soziale Arbeit“ erschienen. Es stellt die komplexe und komplizierte Materie des Asylbewerberleistungsgesetzes verständlich und praxistauglich dar und zeigt Spielräume zur Durchsetzung sozialer Rechte auf. Damit füllt das Buch eine Lücke für Praktiker:innen sowie Studierende der Sozialen Arbeit. Wir haben uns mit dem Autor Volker Gerloff darüber unterhalten.

Können Sie kurz erläutern, wie bedeutend die Rolle des AsylbLG ist?

„Das AsylbLG regelt die Existenzsicherung und die Gesundheitsversorgung für eine große Zahl von Menschen. Alle Asylbewerber:innen und alle geduldeten Personen (also Personen, deren Asylverfahren gescheitert ist, deren Abschiebung aber nicht möglich ist) sind erfasst und daneben auch einige Inhaber:innen von Aufenthaltserlaubnissen. Ende 2021 bezogen insgesamt knapp 400.000 Menschen Leistungen nach dem AsylbLG.

Die Besonderheit des AsylbLG ist es, dass hier neben der Lebensunterhaltssicherung, inklusive angemessener Leistungen für Unterkunft und Heizung, auch sämtliche Leistungen der Gesundheitsversorgung und Bedarfsdeckung bei bestehenden Behinderungen umfasst sind. Für die Betroffenen sind also alle wesentlichen existenziellen Fragen mit der Anwendung des AsylbLG verbunden.

Im krassen Gegensatz zu der Bandbreite der Leistungen, die sich aus dem AsylbLG ergeben können, steht der Umfang des Gesetzes – es umfasst nur 28 Paragraphen, während im „normalen Sozialrecht“ ganze 5 volle Gesetzbücher für die entsprechenden Leistungsrechte gebraucht werden (SGB II; V; IX; XI; XII). Ohne Spezialwissen kann daher das kryptische AsylbLG nicht sinnvoll angewendet werden.“

Können Sie Beispiele für die Praxistauglichkeit Ihres Lehrbuchs nennen?

„Das Lehrbuch wird an den Stellen ausführlicher, wo es tatsächlich praktische Probleme gibt und eher juristisch-akademische Spitzfindigkeiten werden nur kurz erwähnt. Es geht vor allem darum, darzustellen, wo und wie das Maximum an Leistungen für die Betroffenen erreicht werden kann. Dazu werden zahlreiche Beispiele und Praxistipps angeführt, um das Ganze greifbar zu machen.

Insbesondere bei der praktisch sehr bedeutsamen Sanktionsnorm des § 1a AsylbLG werden praktikable Checklisten geliefert, mit denen Bescheide effektiv auf mögliche Angriffspunkte überprüft werden können.

Nicht zuletzt wird auch ein Grundbesteck für die Geltendmachung von Betroffenenrechten durch Rechtsbehelfe mitgeliefert.“

Autor RA Volker Gerloff, FASozR

Das – laut Ihnen – kompakte und oft unzulängliche AsylbLG birgt Schwierigkeiten, aber auch Möglichkeiten. Welche Möglichkeiten wären dies beispielsweise?

„Die Möglichkeiten liegen vor allem in der Unzulänglichkeit des AsylbLG. Beispielsweise bietet § 6 Abs. 1 AsylbLG eine sehr breite Palette für mögliche Leistungen, die für die Betroffenen zu erbringen sind. Dabei geht es von Mehrbedarfen für den Lebensunterhalt über Gesundheitsleistungen und kinderspezifischen Leistungen bis zu Leistungen für Kosten, die mit Mitwirkungspflichten gegenüber der Ausländerbehörde verbunden sind. Über diese Norm können daher beispielsweise neben Eingliederungshilfeleistungen und/oder Pflegeleistungen auch Passbeschaffungskosten gewährt werden.

Oder es kann § 3 Abs. 3 S. 3 AsylbLG genannt werden. Aus dieser Norm ergibt sich unter anderem, dass Stromkosten für AsylbLG-Betroffene gesondert zu erbringen sind, wenn sie in eigenen Wohnungen leben. Es können also die tatsächlichen Stromkosten übernommen werden, wenn sie angemessen sind. Das ist – in Zeiten steigender Energiekosten – nicht zu unterschätzen. Wer Bürgergeld oder Sozialhilfe bezieht, erhält den Regelsatz und muss damit klarkommen und damit auch die Stromkosten zahlen. Ein typischer Fall, wo der Gesetzgeber „nicht aufgepasst“ hat und „aus Versehen“ die Beziehenden von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG privilegiert.“