Außervertragliche Haftung für selbstfahrende Fahrzeuge

09.09.2024

Außervertragliche Haftung für selbstfahrende Fahrzeuge

Von Jacob Schwartz

Herausforderungen der Haftung im Zeitalter autonomer Fahrzeuge

Die Entwicklung autonomer Fahrtechnologien stellt das bestehende Haftungsrecht vor erhebliche Herausforderungen. Während selbstfahrende Fahrzeuge nach und nach vom Gesetzgeber für zulässig erklärt werden, bleiben die rechtlichen Rahmenbedingungen, die ursprünglich für herkömmliche Fahrzeuge konzipiert wurden, weitgehend unverändert. Die zentrale Fragestellung lautet daher, ob die aktuellen Haftungsregelungen angesichts dieser technologischen Neuerungen noch angemessen sind oder ob grundlegende Anpassungen erforderlich sind, um eine gerechte und praktikable Haftung bei Unfällen mit selbstfahrenden Fahrzeugen sicherzustellen.

Untersuchung der Halter- und Herstellerhaftung

Die Arbeit des Verfassers fokussiert sich auf die außervertragliche Haftung von Haltern und Herstellern selbstfahrender Fahrzeuge. Traditionell haftet in erster Linie der Halter eines Fahrzeugs für Unfälle. Die Herstellerhaftung spielt bei konventionellen Fahrzeugen bislang eine untergeordnete Rolle. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Haftungsverteilung weiterhin gerechtfertigt ist, wenn der Halter keine Kontrolle mehr über das Fahrzeug ausüben kann. In diesem Zusammenhang wird die Haftung des Halters nach § 7 Abs. 1 StVG sowie den §§ 823 ff. BGB eingehend analysiert. Gleichzeitig wird die mögliche Haftung der Hersteller von selbstfahrenden Fahrzeugen untersucht, da diese durch die Bereitstellung der hochkomplexen Fahrtechnologien eine zentrale Rolle spielen. Hier wird besonders die Haftung nach § 1 Abs. 1 ProdHaftG sowie nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB in den Blick genommen. Dabei beschränkt sich die Untersuchung nicht allein auf den materiellen Teil der Haftung. Es werden zudem die Probleme analysiert, die sich aus den derzeitigen Regelungen auf Ebene der Rechtsdurchsetzung stellen. Die Arbeit beleuchtet zudem ethische und moralische Fragestellungen, die als konkrete Haftungsprobleme im Zusammenhang mit dem autonomen Fahren auftreten können, insbesondere in Dilemma-Situationen. Dabei wird analysiert, ob das geltende Haftungsrecht in der Lage ist, solche komplexen Probleme angemessen zu lösen oder ob eine Weiterentwicklung des Rechts erforderlich ist.

Gesetzliche Rahmenbedingungen und Reformbedarf

Im Rahmen der Untersuchung wird die aktuelle deutsche Gesetzeslage umfassend einbezogen, insbesondere die Regelungen des Achten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes von 2017 und des Gesetzes zum autonomen Fahren von 2021. Darüber hinaus wird geprüft, inwiefern die auf europäischer Ebene eingebrachten Gesetzesinitiativen, wie die KI-Verordnung (KI-VO) und der Entwurf der KI-Haftungsrichtlinie (KI-HaftRL-E) sowie der Produkthaftungsrichtlinie (ProdHaftRL-E), auf die Haftung für selbstfahrende Fahrzeuge ausstrahlen bzw. geeignet sind, die Haftungsfragen in angemessener Weise zu regeln. Abschließend wird ein fundierter Vorschlag zur Reform des Haftungsrechts unterbreitet, der darauf abzielt, den neuen technologischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden und eine klare sowie gerechte Rechtslage zu schaffen. Dieses Werk bietet somit nicht nur eine umfassende Analyse der aktuellen rechtlichen Herausforderungen, sondern auch konkrete Lösungsansätze, die einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung des Haftungsrechts im Zeitalter des autonomen Fahrens leisten.

 

 

Jacob Schwartz ist Staatsanwalt im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg. Er studierte Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Freien Universität Berlin und absolvierte dort das Erste Juristische Staatsexamen. Das Zweite Juristische Staatsexamen legte er in Niedersachsen ab. Außerdem erwarb er einen Master of Laws (LL.M.) am Trinity College Dublin in Irland. Bevor er die Justizlaufbahn einschlug, war er als Doktorand an der Universität Oldenburg am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie Informationsrecht tätig, wo er zur Haftung von selbstfahrenden Fahrzeugen promovierte. Darüber hinaus war Jacob Schwartz dort Mitglied im Graduiertenkolleg „Social Embeddedness of Autonomous Cyber Physical Systems“ (SEAS).

 

Seine Dissertationsschrift „Außervertragliche Haftung für selbstfahrende Fahrzeuge – Haftung für Fahrzeuge mit hoch- bzw. vollautomatisierten Fahrfunktionen, Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen sowie autonome Fahrzeuge nach dem StVG, dem ProdHaftG und allgemeinem Deliktsrecht“ richtet sich an Juristen, Gesetzgeber und Technologen, die sich mit der rechtlichen Regulierung der Zukunft des Straßenverkehrs befassen. Der Titel erscheint in Kürze im Nomos Verlag.