Die neue EU-Bauprodukteverordnung

19.05.2025

Die neue EU-Bauprodukteverordnung

Product Compliance Header Dr. Marthe Louise Fehse

von Dr. Marthe-Louise Fehse

Die neue EU-Bauprodukteverordnung (EU-BauPVO) ist am 7. Januar 2025 in Kraft getreten und löst nun sukzessive die derzeit noch fortgeltende Verordnung (EU) 305/2011 ab. Mit der neuen EU-BauPVO wird der bereits 2016 begonnene Revisionsprozess zur Überarbeitung der Verordnung (EU) 305/2011 abgeschlossen. Dieser hatte zahlreiche Unzulänglichkeiten im bisherigen Regelungskonzept identifiziert, u.a. im Bereich der Normung, welche im Bauprodukterecht eine herausragende Rolle spielt. Ziel der neuen EU-BauPVO ist es, diese Regelungsdefizite zu beheben und zugleich die Digitalisierung im Bauwesen sowie die Aspekte des umweltfreundlichen Bauens zu fördern.

Ausweitung des Anwendungsbereichs

Die EU-BauPVO erweitert ihren persönlichen Anwendungsbereich neben den bekannten Wirtschaftsakteuren um Fulfilment-Dienstleister, Online-Marktplätze sowie Akteure, die gebrauchte Produkte in den Verkehr bringen. Der sachliche Anwendungsbereich hat nach wie vor klassische Bauprodukte im Blick, wobei erstmals auch gebrauchte Produkte explizit erfasst sind. Zwar ist der Anwendungsbereich damit auf den ersten Blick sehr weit gefasst, de facto wird dieser jedoch durch harmonisierte technische Spezifikationen sowie Europäisch Technische Bewertungen (ETAs) definiert. Bis die ersten harmonisierten technischen Spezifikationen nach der EU-BauPVO vorliegen bzw. ihre Fundstellen im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, wird voraussichtlich noch einige Zeit vergehen. Solange keine harmonisierte technische Spezifikation oder ETA nach der neuen EU-BauPVO einschlägig ist, bleibt für das jeweilige Produkt die Verordnung (EU) 305/2011 anwendbar.

Leistungs- und Konformitätserklärung; CE-Kennzeichen

Wenn ein Produkt unter eine harmonisierte technische Spezifikation fällt, ist der Hersteller grundsätzlich verpflichtet, eine Leistungs- und Konformitätserklärung zu erstellen. Aufgrund der Möglichkeit in diesen zukünftig nicht nur Prüfverfahren, sondern auch konkrete Produktanforderungen an Bauprodukte zu stellen, ergänzt die EU-BauPVO die bereits bekannte Leistungserklärung um eine Konformitätserklärung. Mit dieser erklärt der Hersteller die Konformität seines Produkts mit den Produktanforderungen. Die Produktanforderungen kann die Kommission produktfamilienspezifisch in delegierten Rechtsakten festlegen. Im Sinne des bekannten Regelungskonzepts des New Legislative Frameworks können die Produktanforderungen durch freiwillige harmonisierte Normen konkretisiert werden, deren Einhaltung jedoch insoweit mit der Konformitätsvermutung belohnt wird. Beide Erklärungen werden stets zusammen abgegeben, sodass der Hersteller auch dann eine Leistungs- und Konformitätserklärung abgegeben muss, wenn an das jeweilige Produkt gar keine Produktanforderungen gestellt werden. Die Leistungs- und Konformitätserklärung ist zwingende Voraussetzung für die Anbringung des CE-Kennzeichens auf dem jeweiligen Produkt.

Umfangreiche Umweltanforderungen

Um den Umweltzielen – insbesondere denen des European Green Deals – gerecht zu werden, verlangt die EU-BauPVO erstmalig umfangreiche Informationen zu Umweltmerkmalen der Produkte. Hierfür listet sie in einem eigenen Anhang II der Verordnung vorab festgelegte wesentliche Umweltmerkmale auf, die schrittweise verbindlich werden und zu entsprechenden Angaben in der Leistungs- und Konformitätserklärung führen. Hierzu zählen beispielsweise Merkmale bezüglich der Auswirkungen auf den Klimawandel, Wassernutzung oder Feinstaubemissionen.

Einführung des digitalen Produktpasses

Die EU-BauPVO führt außerdem – angelehnt an die Ökodesign-Verordnung – einen digitalen Produktpass (DPP) ein. Dieser soll künftig Informationen über Bauprodukte vollständig, digital und leicht zugänglich für alle Wirtschaftsteilnehmer entlang der Wertschöpfungskette bereithalten (Art. 75 ff. BauPVO). Allerdings wird die Kommission die Modalitäten des DPP sowie des zugehörigen Produktpasssystems durch delegierte Rechtsakte noch festlegen müssen, sodass die konkreten Anforderungen noch nicht feststehen und derzeit auch noch nicht eingreifen.

Stärkung der Marktüberwachung

Ein weiteres Defizit der Verordnung (EU) 305/2011 lag zudem in der inhomogenen Umsetzung der Marktüberwachung in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Die Strukturen werden daher in der EU-BauPVO umfassend überarbeitet. Dabei sind zahlreiche Austausch- und Unterrichtungspflichten u.a. über festgestellte Nichtkonformitäten prägend für die neue Organisation der Marktüberwachung.

 

 

Dr. Marthe-Louise Fehse ist Rechtsanwältin und Partnerin bei FRANSSEN NUSSER Rechtsanwälte in Berlin. Sie promovierte zu einem Thema im Bauprodukterecht und ist seitdem schwerpunktmäßig beratend im Produkt- bzw. Bauprodukterecht tätig. Der Einführungsband „Die neue EU-Bauprodukteverordnung“ der Autorin erscheint in Kürze im Nomos Verlag und ist vormerkbar unter https://www.nomos-shop.de/de/p/die-neue-eu-bauprodukteverordnung-eu-baupvo-gr-978-3-7560-0566-6.