Das „Recht auf Reparatur“

22.10.2025

Das „Recht auf Reparatur“

Zu sehen ist der Header zum Thema Product Compliance, auf welchem der Autor Viktor Mehnert abgebildet ist. Der Header ist grün und im Hintergrund ist ein Maßband zu sehen.

von Dr. Victor Mehnert

Selbst bei kleineren Produktdefekten entscheiden sich Verbraucher in vielen Fällen gegen eine Reparatur und für eine Neuanschaffung. Dies liegt vor allem an nicht reparierbaren Geräten, hohen Reparatur- und Ersatzteilpreisen sowie der fehlenden Verfügbarkeit entsprechender Dienstleistungen. Die Konsequenzen sind Unmengen an vermeidbarem (Elektro-)Müll und ein stetig steigender Ressourcenverbrauch. Ein „Recht auf Reparatur“ soll Verbrauchern den Zugang zu Reparaturen ermöglichen und erleichtern.

Recht auf Reparatur als mehrdimensionales Konzept

Regulativ stellt sich das Recht auf Reparatur bereits deshalb als Herausforderung dar, da es unterschiedliche Rechtsbereiche berührt, die auf unterschiedlichen Ebenen des Produktlebenszyklus relevant werden und bislang nicht aufeinander ausgerichtet waren.
Mit der Reparatur-Richtlinie und der Ökodesign-Verordnung hat der europäische Gesetzgeber zuletzt Eckpfeiler eines Rechts auf Reparatur geschaffen: Die Ökodesign-Verordnung legt bereits in der Konstruktionsphase Anforderungen an die Reparierbarkeit von Produkten und die Verfügbarkeit von Ersatzteilen fest. Die Reparatur-Richtlinie verpflichtet Hersteller auf privatrechtlichem Wege dazu, (nur) für von der Ökodesign-Verordnung erfasste Produkte Reparaturen anzubieten und auch Ersatzteile bereitzustellen.

Kostenproblematik: Fehlende Einbeziehung des Immaterialgüterrechts

Ein – wenn nicht das – zentrale Problem des Rechts auf Reparatur sind jedoch die Kosten der Reparatur. Schon heute bieten viele Hersteller hauseigene Reparaturservices an, allerdings oftmals zu wirtschaftlich unattraktiven Konditionen. Die Reparatur-Richtlinie bietet nur eine Scheinlösung: Hersteller sollen Reparaturen und Ersatzteile zu „angemessenen“ Preisen bereitstellen. Was jedoch als „angemessen“ anzusehen ist, bestimmt sich maßgeblich nach dem, was am Markt als üblich anzusehen ist.
Hersteller sind häufig Inhaber von Patenten, Design- und Urheberrechten, was ihnen im Hinblick auf die Reparatur ihrer Produkte eine Vormachtstellung verschafft. Das führt zu höheren Preisen und fehlendem Wettbewerb. Diese wettbewerbspolitische Dimension ignoriert die Reparatur-Richtlinie und verlagert wesentliche Fragen des Rechts auf Reparatur, insbesondere nach der Zulässigkeit von Reparaturen, ins Immaterialgüterrecht, ohne dieses konzeptuell einzubeziehen.

Recht auf Reparatur innerhalb der Gewährleistung

Anders als dies zunächst zu erwarten war, spielte die Warenkauf-Richtlinie nur eine untergeordnete Rolle im Gesetzgebungsprozess. Dabei hält das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht bereits wesentliche Strukturen für ein Recht auf Reparatur bereit. Verbraucher können im Falle der Mangelhaftigkeit eine Reparatur beanspruchen. Gezielte Anpassungen, insbesondere die produktspezifische Verlängerung der Gewährleistungsfristen für den Rechtsbehelf der Nachbesserung, können Verbrauchern einen niedrigschwelligen und langfristigen Zugang zu Reparaturen ermöglichen. Darüber hinaus regelt die Warenkauf-Richtlinie auch ein „digitales Recht auf Reparatur“, nämlich den für informationstechnische Geräte elementaren Anspruch auf Bereitstellung von Software-Updates.

Fazit und Ausblick

Das Recht auf Reparatur ist weiterhin als im Prozess befindlich anzusehen. Außerhalb der Gewährleistung muss insbesondere der Wettbewerb auf dem Reparatur- und Ersatzteilmarkt gestärkt werden. Nachhaltigkeitsaspekte müssen in den immaterialgüterrechtlichen Interessenausgleich, beispielsweise durch Reparaturklauseln oder Schutzbereichsausnahmen, integriert werden. Parallel dazu sollte das Potenzial des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts zur Förderung von Reparaturen genutzt werden. Zentrale Maßnahme ist dabei die Verlängerung des Zeitraums, in dem Verbraucher Reparaturen in Anspruch nehmen können.

 

 

Dr. Victor Mehnert war von 2022 bis 2025 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Recht der Datenwirtschaft, des Datenschutzes, der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz (Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider) an der Universität Bonn. Er ist u.a. Mitautor des Policy Briefs „Recht auf Reparatur“, herausgegeben vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVRV). Seit September 2024 ist er Rechtsreferendar im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln und absolviert derzeit seine Anwaltsstation bei LOSCHELDER Rechtsanwälte in Köln. Seine Dissertation „Das „Recht auf Reparatur“ – Rechtliche Maßnahmen zur Erhöhung der Verfügbarkeit und Attraktivität von Reparaturen für Verbraucher“ erscheint im Nomos Verlag.