Gesetzgebungsverfahren zur EU-Verpackungsverordnung schreitet voran

07.12.2023

Gesetzgebungsverfahren zur EU-Verpackungsverordnung schreitet voran

Von Michael Öttinger

Vor inzwischen gut einem Jahr hat die EU-Kommission ihren Entwurf für eine Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle vorgelegt. Diese soll nach dem Willen der EU-Kommission ein weiterer wichtiger, branchenübergreifender Baustein zum Erreichen der Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsziele aus dem European Green Deal werden.

Von der Abfallbetrachtung zur Lebenszyklusregulierung

Während das bisherige Verpackungsrecht weit überwiegend darauf abzielt, den Herstellern im verpackungsrechtlichen Sinne die organisatorische und finanzielle Verantwortung für die Handhabung und Entsorgung von Verpackungsabfällen zuzuordnen, soll diese Perspektive um umfassende Vorgaben zum nachhaltigen Design von Verpackungen ergänzt werden. Dies umfasst beispielsweise Mindest-Rezyklat-Vorgaben, Materialverbote, Mehrwegquoten und Pflichten zur Minimierung von Verpackungsgrößen. Die Einhaltung soll künftig durch ein verpflichtendes Konformitätsbewertungsverfahren für Verpackungen nachgewiesen werden.

Harmonisierung durch Verordnungsrecht?

Ganz grundsätzlich ist mit der Rechtsform einer europaweit einheitlich geltenden Verordnung immer der Gedanke zur Vereinheitlichung der Rechtsordnung verbunden, um dadurch einerseits gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle zu schaffen (sog. „level playing field“) und um andererseits Hürden beim EU-weiten Warenvertrieb zu beseitigen. Dies betrifft Verpackungen offenkundig in ganz besonderem Maße, da branchen- und produktübergreifend beinahe alle Waren in einer Verpackung verkauft werden.

 

Im Rahmen der Verpackungsverordnung wird es jedoch, vergleichbar zur unlängst in Kraft getretenen Batterieverordnung, nicht zu einer vollständigen Harmonisierung aller Vorgaben kommen. In erster Linie ist hier der gesamte Bereich der erweiterten Herstellerverantwortung zu nennen, der insbesondere die Marktzugangsvoraussetzung der nationalen Registrierung, der Organisation und Finanzierung der Rücknahme von Verpackungsabfällen und die nationale Datenmeldung umfasst. Hierfür gibt es im Entwurf zwar detailreiche Rahmenvorgaben, jedoch werden diese Pflichten nach wie vor national umzusetzen und daher auch durch die 27 nationalen Gesetzgeber zu konkretisieren sein. Demgegenüber wird es im Bereich der vorstehend vorgestellten Nachhaltigkeitsanforderungen wohl zu einer Vollharmonisierung kommen.

Streitpunkt: Kennzeichnung

Eines der größten Hindernisse für den EU-weiten Warenvertrieb stellen aktuell die zunehmenden, nationalen Vorgaben zur Verpackungskennzeichnung dar. Jedes Unternehmen wird sich an der ein oder anderen Stelle schon die Fragen gestellt haben, wie und wo der französische Triman anzubringen ist, ob in Italien eine digitale Kennzeichnung ausreicht und welche Relevanz dem „Grünen Punkt“ bei der Verpackungskennzeichnung noch zukommt.

 

Zum Unmut aller Wirtschaftsbeteiligten hat die EU-Kommission in Art. 4 Abs. 5 ihres Entwurfs eine Öffnungsklausel zugunsten der Mitgliedstaaten dergestalt vorgesehen, dass diese zwar nicht ganz generell nationalstaatliche Kennzeichnungsanforderungen aufrechterhalten und einführen dürfen, solche Kennzeichnungsanforderungen jedoch in Bezug auf Angaben zum Regime der erweiterten Herstellerverantwortung oder zum Pfand- und Rücknahmesystem möglich bleiben sollen. Noch weitgehender wollten verschiedene Stimmen im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren sogar eine Ausweitung der mitgliedstaatlichen Ergänzungsbefugnisse dahingehend, dass diese stets über die EU-Verpackungsverordnung hinausgehende Nachhaltigkeitsanforderungen einführen dürfen. Dies hätte die gesamte Harmonisierungswirkung der Verordnung ernsthaft gefährdet.

 

Umso begrüßenswerter ist daher die vom EU-Parlament nun beschlossene Stellungnahme (mit 341 teilweise ebenfalls kontroversen Änderungsanträgen) dahingehend, dass Art. 4 Abs. 5 des Kommissionsentwurfs ersatzlos gestrichen werden soll und auch keine sonstigen Öffnungsklauseln im Bereich der Nachhaltigkeitsvorgaben zugunsten der Mitgliedstaaten vorgesehen werden.

Ausblick

Nachdem die Positionen der gesetzgebenden Institutionen sehr weit auseinanderliegen, ist mit schwierigen Trilogverhandlungen und nicht mit einem schnellen Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zu rechen. Zusätzlich ist eine zwölfmonatige Übergangsfrist vorgesehen. Allerdings scheinen die bisherigen Entwurfsfassungen die Realitäten zahlreicher Branchen bislang nur sehr unzureichend zu erfassen, sodass eine aktive Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren dringend geboten erscheint.

 

Michael Öttinger ist Rechtsanwalt in der Produktkanzlei in Augsburg. Er ist insbesondere auf das produktbezogene Umweltrecht spezialisiert. In diesem Bereich ist er Autor zahlreicher Fachpublikationen, bloggt auf der Website der Produktkanzlei und hält regelmäßig Vorträge.