Das neue europäische Recht auf Reparatur

07.05.2024

Das neue europäische Recht auf Reparatur

Von Dr. Florian Niermeier

Als eine wichtige Maßnahme ihres Green Deals möchte die EU mittels einer Richtlinie ein neues Recht auf Reparatur einführen. Im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sollen Produkte in Zukunft repariert und so länger genutzt, anstatt gleich entsorgt zu werden.

 

Aktueller Stand des Gesetzgebungsverfahrens ist die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. April 2024 über „Gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren“. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie soll 24 Monate betragen; daher ist – Stand heute – mit einem Inkrafttreten der neuen Regelungen etwa Mitte 2026 zu rechnen.

„Eigentliches“ Recht auf Reparatur

Die praktisch wichtigsten Fälle dürften Defekte nach Ablauf der Gewährleistungsfrist und vom Verbraucher selbst verursachte Schäden sein. Das Recht auf Reparatur wird nur für von Verbrauchern erworbene Produkte gelten (B2C).

 

Wichtig ist, dass das Recht auf Reparatur nur für Produkte bestehen wird, für die in der EU aus anderen Rechtsquellen Reparaturanforderungen bestehen (insbesondere aus dem Ökodesignrecht). Auch Inhalt und Reichweite der Reparaturpflicht ergeben sich aus diesen anderen europäischen Rechtsakten. Die Produktgruppen, für die das Recht auf Reparatur eingeführt werden, sind in Anhang II der Richtlinie aufgeführt. Die wichtigsten davon sind Haushaltsgeräte (wie Waschmaschinen, Wäschetrockner und Kühlschränke), Mobiltelefone und Tablets sowie batteriebetriebene leichte Verkehrsmittel wie E-Bikes.

 

Eine Reparatur muss möglich sein und vom Verpflichteten binnen einer angemessenen Frist erbracht werden. Der Verpflichtete muss nicht selbst reparieren; die Beauftragung von Subunternehmern ist ausdrücklich zulässig. Wichtig ist auch, dass die Reparatur kostenlos oder gegen ein angemessenes Entgelt durchgeführt werden kann. Der Verpflichtete kann sich die Reparatur bezahlen lassen, da diese ja außerhalb einer Gewährleistung erfolgt.

 

Primär ist der Hersteller zur Reparatur verpflichtet. Hat dieser seinen Sitz außerhalb der EU, ist subsidiär sein Bevollmächtigter verpflichtet. Hat ein solcher Hersteller keinen Bevollmächtigten, trifft die Reparaturpflicht den Importeur des Produkts; sollte es auch keinen Importeur geben, wäre schließlich der Verkäufer verantwortlich. Dem Verbraucher soll so ein Verpflichteter innerhalb der EU zur Verfügung stehen.

 

Zum Inhalt der Reparaturpflicht: Der Verpflichtete muss das defekte Produkt reparieren. Alternativ hat er dafür benötigte Ersatzteile und Werkzeuge zur Verfügung zu stellen. Für typische Reparaturen muss der Verpflichtete auf seiner Website Richtpreise angeben. Der Hersteller darf eine solche Reparatur nicht allein deshalb ablehnen, weil bereits ein Dritter eine Reparatur vorgenommen hat.

Änderungen im Gewährleistungsrecht

Zusätzlich wird durch das neue Gesetz die Warenkaufrichtlinie und damit das Kauf-Gewährleistungsrecht gegenüber Verbrauchern geändert werden. Wichtig: Diese – damit sehr praxisrelevanten – Änderungen betreffen daher sämtliche Produkte und sind gerade nicht auf die in Anhang II der Richtline aufgeführten Produktgruppen beschränkt. Die Reparierbarkeit einer Sache wird den objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit der Ware hinzugefügt und damit Teil des Sachmangelbegriffs.

 

Das freie Wahlrecht des Käufers zwischen Nachbesserung und Neulieferung im Rahmen der kaufrechtlichen Nacherfüllung bleibt zwar erhalten. Allerdings sieht das neue Recht vor, dass die Gewährleistungsfrist einmalig um ein Jahr verlängert wird, wenn der Käufer sich für eine Nachbesserung entscheidet. In Deutschland wird sich daher die Gewährleistungsfrist für gekaufte Produkte im Fall einer Nachbesserung von zwei auf drei Jahre verlängern. Zudem muss der Verkäufer den Käufer vor der Nacherfüllung auf sein Wahlrecht und auf diese Verlängerung der Gewährleistungsfrist bei einer Reparatur hinweisen.

 

 

 

Als Gründungspartner der Produktkanzlei ist Rechtsanwalt Dr. Florian Niermeier auf die Führung von wirtschaftsrechtlichen Prozessen und die regulatorische Beratung an dieser Schnittstelle zum Zivilrecht spezialisiert. Er vertritt erfolgreich nationale und internationale Mandanten bei der Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen, insbesondere in den Bereichen Produkthaftung, Gewährleistung und Regress in der Lieferkette. In seiner täglichen Beratung zum produktbezogenen Wettbewerbsrecht nehmen Werbeaussagen zu Green Claims eine immer wichtigere Rolle ein.