Sportstätten als Essential Facility

26.07.2023

Sportstätten als Essential Facility

Prof. Dr. Dieter Frey schreibt für den Praxis-Newsletter Sportrecht

Beitrag von Prof. Dr. Dieter Frey, LL.M.

Kartellrechtliche Themen im Sport sind en vogue. Die aktuellen Auseinandersetzungen zu den Spielervermittler-Reglements der FIFA und des DFB, zu den Zulassungskriterien zu Paralympischen Spielen und natürlich allen voran das mit Spannung erwartete Urteil des EuGH zur European Super League unterstreichen die Bedeutung des Kartellrechts im Sport. Nur in dem engen Rahmen des sog. Meca Medina-Tests können sich Sportverbände auf sportspezifische Ausnahmen berufen. Allerdings werden nicht nur Sportverbände mit den Regeln der Wirtschaftsverfassung konfrontiert. Auch die Eigentümer und Betreiber von Sportinfrastrukturen können in ihrer (wirtschaftlichen) Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sein. Ein Beispiel dafür ist die berühmte Motorsport-Rennstrecke des Nürburgrings, für die das Land Rheinland-Pfalz sogar ein eigenes Gesetz erlassen hat. Das in der Öffentlichkeit häufig weniger beachtete Konfliktpotential zwischen der Kontrolle über eine Sportstätte und dem Zugangsinteresse von Veranstaltern soll daher nachstehend anhand des Nürburgring-Beispiels illustriert werden.

Die Rennstrecke des Nürburgrings

Die Rennstrecke des Nürburgrings ist geprägt von der weltberühmten Nordschleife, welcher das OLG Koblenz im Jahre 2012 die Rolle eines natürlichen Monopols beigemessen hat. Dies impliziert die Eigenschaft als wesentliche Infrastruktureinrichtung, was einen Zugangsanspruch gegen den marktbeherrschenden Betreiber eröffnen kann (vgl. OLG Koblenz v. 13.12.2012, Az. U 73/12 Kart). Nach der Insolvenz der landeseigenen Betreibergesellschaft aufgrund der Gewährung rechtswidriger Beihilfen im Umfang von mehreren Hundertmillionen EUR wollte das Land Rheinland-Pfalz zeitlich vor der durch die Insolvenzverwalter vorgenommenen Privatisierung die Rennstrecke des Nürburgrings insbesondere für den Motorsport bewahren. Der Landtag verabschiedete daher am 30.7.2013 das Gesetz zur Erhaltung der Zweckbestimmung des Nürburgrings (GVBl. RLP 2013, 275 – Nürburgring-Gesetz). Ein Zugangsanspruch kann daher sowohl nach dem Nürburgring-Gesetz als auch nach dem allgemeinen Kartellrecht erwogen werden.

Sektorspezifische Zugangsregelung: Nürburgring-Gesetz?

Das Nürburgring-Gesetz widmet die Rennstrecke und die für ihre bestimmungsgemäße Nutzung erforderlichen gegenwärtigen und zukünftigen Einrichtungen der dauerhaften Nutzung durch die Allgemeinheit. Außerdem werden die Eigentümer und Betreiber der Rennstrecke verpflichtet, diskriminierungsfreien Zugang zu diesem Zweck zu gewähren (§ 3 Nürburgring-Gesetz). Die Rechtsprechung musste bisher noch nie über die Anwendung des Nürburgring-Gesetzes entscheiden. In jüngster Zeit mehren sich indes die Presseberichte über Auseinandersetzungen zwischen den Eigentümern der Rennstrecke und Veranstaltern von Motorsport-Rennserien, wobei auch immer wieder die Anwendung des Nürburgring-Gesetzes ins Spiel gebracht wird.

Das Nürburgring-Gesetz klingt zunächst nach einer sektorspezifischen Zugangsregelung, wie sie aus den Bereichen der Eisenbahn, Telekommunikation, Energie etc. mit jeweils spezifischen Gesetzen bekannt ist. Anders als in den genannten Bereichen kommt allerdings ein Vorrang des Nürburgring-Gesetzes gegenüber den Bestimmungen des GWB nicht in Betracht, da divergierende Schutzgüter (Widmung für die Allgemeinheit vs. Verhinderung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch Zugangsverweigerung) verfolgt werden. Im Übrigen kann ein Landesgesetz kein Bundesgesetz sperren. Daher stellt sich neben dem Nürburgring-Gesetz die Fragen nach der Anwendung des Kartellrechts.

Zugang zu Infrastruktureinrichtungen (essential facility)

Die Frage nach dem Zugang zu einer Sportstätte kann im Sport von existenzieller Bedeutung sein. Die Zugangsverweigerung kann daher den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung iSd § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB darstellen. In Folge der Entscheidung des OLG Koblenz vom 13.12.2012 zur Nordschleife des Nürburgrings hat auch die Literatur den Gedanken aufgegriffen. Wie so oft im Kartellrecht kommt aber auch hier der Markabgrenzung im Einzelfall eine herausragende Bedeutung zu. Dazu sind besondere Charakteristika der Sportstätte in den Blick zu nehmen; die pauschale Absage aufgrund anderweitig verfügbarer Sportstätten wird folglich nicht ohne Weiteres gelingen. Festzuhalten ist also: Sportstätten können eine essential facility im kartellrechtlichen Sinne sein, die Zugangsverweigerung zur selbigen kann den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen, sodass kartellrechtliche Zugangsansprüche zu Sportstätten möglich sind.

Das OLG Koblenz hat in seiner Entscheidung vom 13.12.2012 (Az. U 73/12 Kart) im Hinblick auf den Nürburgring geurteilt, dass die Nordschleife des Nürburgrings eine Infrastruktureinrichtung im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB darstellt. Das Hausrecht und die daraus resultierende Entscheidungsgewalt über den Zugang hatte nach dem OLG Koblenz zur Folge, dass dem Betreiber eine marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt zugerechnet wird. Die außergewöhnliche Streckendistanz samt einhergehender Herausforderungen für die Fahrer, die historische Bedeutung und die Attraktivität der umliegenden Landschaft seien Alleinstellungsmerkmale, die die Annahme eines natürlichen Monopols rechtfertigen.

Damit kann eine Zugangsverweigerung – wie vom OLG Koblenz angenommen – grundsätzlich den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung begründen und in der Folge einen Zugangsanspruch zur Sportstätte nach sich ziehen. Der Zugang muss aber zur Sicherung des Wettbewerbs auf Märkten, die einer solchen Infrastruktureinrichtung vor- oder nachgelagert sind, erforderlich sein. Dies ist sicher eine Frage des Einzelfalls, dürfte aber besonders bei Langstreckenrennen, die auf die Nordschleife des Nürburgrings ausgerichtet sind, anzunehmen sein.

Fazit

Wie das Beispiel Nürburgring zeigt, spielen die Regeln der Wirtschaftsverfassung nicht nur im Hinblick auf Sportverbände eine immer größere Rolle. Das Sportrecht mit all seinen Facetten ist daher immer wichtiger, da es in zentralen Bereichen nicht um sportlichen Wettbewerb, sondern eben auch um harte kommerzielle Interessen geht.


Prof. Dr. Dieter Frey ist Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei FREY Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Köln. Als Fachanwalt für Sportrecht sowie für Urheber- und Medienrecht berät er u.a. zu vielfältigen sportrechtlichen Fragestellungen. In diesem Zusammenhang vertritt er die Interessen des Motorsports u.a. auch im Rahmen des EU-Beihilfeverfahrens zum Nürburgring. Er ist Herausgeber des Praxishandbuchs „eSport und Recht“, Mitglied des Herausgeberbeirats der SpoPrax und Mitautor des in Kürze erscheinenden Stichwortkommentars zum eSport-Recht. Zudem lehrt er als Honorarprofessor an der University of Europe for Applied Sciences Medien- und Sportrecht.