Der organisierte Sport im eSport – Die Olympic Esports Series

30.05.2023

Der organisierte Sport im eSport – Die Olympic Esports Series

Ein Gastbeitrag von Dr. Nepomuk Nothelfer für den Praxis-Newsletter Sportrecht

Beitrag von Dr. Nepomuk Nothelfer

Spätestens seit dem Ende der 1990er-Jahre der Begriff „eSport“ geprägt wurde, besteht ein Diskurs über das Verhältnis zwischen (traditionellem) Sport und eSport. Die meisten Diskussionen der vergangenen 25 Jahre drehten sich um die Fragen, ob eSport Sport sei oder ob der eSport unter das Dach des traditionellen organisierten Sports passe. Viel praxisrelevanter ist inzwischen die Frage, inwiefern die Stakeholder beider Phänomene zum beiderseitigen Vorteil zusammenwirken können. Das neue Kapitel dieser Entwicklung heißt nun Olympic Esports Series.

Das Verhältnis von eSport und Sport

Die Frage, ob eSport Sport sei, ist aus methodischer Sicht unzureichend, da ihr der Bezugsrahmen fehlt. Unabhängig von der Vielzahl verschiedener eSport-Definitionen (selbst die beiden einzigen staatlichen eSport-Normen im deutschen Rechtssystem legen unterschiedliche Definitionen zugrunde) stellt sich die Frage, unter Sport in welchem Sinne denn subsumiert werden soll. Was aus methodischer Sicht eine interessante Frage des Einzelfalls bleibt, ist rechtspolitisch bereits Schnee von gestern. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales entschied sich iRd Rechtssetzungsprozesses bzgl. § 22 Nr. 5 BeschV für eine Parallelregelung zu der für den traditionellen Sport in § 22 Nr. 4 BeschV, der Bundestag für eine Fiktion, die die Besteuerung von eSport-Wetten der Besteuerung von Sportwetten gleichstellt. In beiden Fällen entschied man sich gegen eine Subsumtion von eSport unter Sport. Auch das Europäische Parlament befindet in seiner neuen „Resolution on Esports and Video Games“, dass die Phänomene im Hinblick auf Strategie und Rechtssetzung voneinander getrennt werden sollen. Nur die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag stellen fest, dass es für die Frage, ob ein eSport-Ereignis ein Sportereignis iSd § 3 Abs. 1 S. 4 GlüStV 2021 sein kann, auf eine Subsumtion im Einzelfall ankomme. Methodisch ist dies richtig, für die Praxis aber solange irrelevant, wie sich die zuständige Behörde weigert, Sportwettkonzessionen für Wetten auf eSport zu erteilen. Auch die Frage, ob der eSport bzw. ein bestimmter eSport-Titel unter den Sportbegriff des DOSB zu subsumieren ist und folglich ein etwaiger eSport-Stakeholder Anspruch auf Aufnahme in die Struktur des organisierten Sports hat, ist methodisch spannend, für die Praxis inzwischen aber irrelevant.

Am Ende steht zumeist die Erkenntnis, dass die meisten Definitionen von eSport und Sport als sehr weite Sammelbegriffe qualifiziert werden müssen. Dies führt nicht selten zu einer Überlappung beider Begrifflichkeiten, spätestens in dem Bereich des eSports, der mittels Virtual Reality-Technologie eine ganzkörperliche Bewegung voraussetzt. Einer Gestaltungshoheit, wie sie traditionelle Sportverbände aufgrund ihrer faktischen Machtstellung kennen, stehen im eSport aber die IP-Rechte des jeweiligen Spiele-Publishers entgegen. Möchten sich Sportverbände im eSport bewegen, bedarf es einer entsprechenden Lizenz des jeweiligen Rechtehalters oder gar einer originären Stellung als Rechtehalter.

Von den Asienspielen zur Olympic Virtual Series

Während im Jahr 2017 auf der 6th Olympic Summit in Lausanne der Diskurs um das Phänomen eSport seinen offiziellen Anfang nahm, kündigte der organisierte Sport in Asien – noch vor der ersten Positionierung von IOC und DOSB – an, bestimmte eSport-Titel als Promotion-Wettkämpfe in die Asienspiele aufzunehmen. Inzwischen sind sieben eSport-Titel offizielle Medaillen-Wettkämpfe, darunter nur eine klassische Sportsimulation. Den nächsten Gehversuch im Bereich Computerspiel-Wettbewerbe unternahm dann das IOC selbst und schuf im Jahr 2021 die Olympic Virtual Series. Der eigenen Positionierung (im Hinblick auf „virtuelle Sportsimulationen“ und „virtuell gestützte sportliche Aktivitäten“) entsprechend wurden fünf Sportsimulationen (in den Bereichen Baseball, Radfahren, Segeln, Motorsport und Rudern) als Wettkampf-Titel ausgewählt. Obgleich das Echo aus der eSport-Gemeinschaft eher negativ war, stellte der Wettbewerb den logischen nächsten Schritt für den organisierten Sport im virtuellen Raum dar.

Der neue Wettbewerb: die Olympic Esports Series

Vor wenigen Wochen wurde nun die zweite Entwicklungsstufe dieses Projekts angekündigt: die Olympic Esports Series. Zu den bisherigen Sportsimulationen stießen weitere in den Bereichen Tennis, Taekwondo, Schach, Tanzen, Bogenschießen und Zielschießen. Neben der überraschenden Anerkennung des Begriffs und der teils engen Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Sport-Weltverbänden und den Entwicklern/Publishern der Spiele sind jedoch v.a. zwei Punkte auffällig:

1. Plattform für das Zielschießen wird der beliebte Shooter Fortnite. Genutzt werden soll eine Version, in der nicht auf menschenähnliche Avatare geschossen wird. Gleichzeitig bleibt der Grund für die Nutzung die Beliebtheit der klassischen Spielversion (geworben wird bspw. mit der Teilnahme von Profis des klassischen Spielmodus).

2. Die Integrität des Wettkampfs scheint in manchen der Spiele fraglich. Insbesondere in den Bereichen Bogenschießen und Tennis hängt der Erfolg nicht primär von der spielerischen Leistung ab, sondern davon, leistungsverbessernde digitale Gegenstände aus sog. Lootboxen für reales Geld zu erwerben. Ferner musste zuletzt einer der Titel wegen immenser Sicherheitslücken für mehrere Wochen offline genommen werden.

Derartiges führt aber nicht nur zu Kritik aus der eSport-Branche. So hat die Fortnite-Nachricht in nicht nur einem Landessportverband dazu geführt, dass das Thema eSport – und dabei v.a. die Argumente des DOSB aus dem Jahr 2018 – erneut diskutiert wird. Schon jetzt zeichnen sich diesbezüglich die ersten internen Prozesse ab. Zeitgleich sinnieren Vertreter der eSport-Verbände über die Ziele des IOC und befürchten einen ernsthaften Konkurrenten bei künftigen eSport-Förderungen.

Ausblick

Ob sich die Olympic Esports Series als Erfolg für den organisierten Sport herausstellen wird, wird sich zeigen. In einer Zeit, in der die Hoheit der Sportverbände im analogen Raum von Projekten wie der Super League oder der Kings League bedroht wird, bedarf es für die Expansion des Sports in den virtuellen Raum aber eines erheblichen Maßes an Fingerspitzengefühl. Zumindest an Expertise mangelt es dem IOC nicht, denn schon seit vielen Jahren existiert ein Dialog mit Stakeholdern des eSports (es sei bspw. an das Esports Forum 2018 in Lausanne erinnert). Zuletzt bleibt fraglich, wie die großen Publisher auf diese Entwicklung reagieren werden. Die „alten Hasen“ der Branche erinnern sich in der Zwischenzeit wehmütig an die einfachen Zeiten der World Cyber Games der frühen 2000er.


Dr. Nepomuk Nothelfer ist Rechtsreferendar und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei SKW Schwarz Rechtsanwälte in Hamburg. Er ist Autor der eSport-Studie für das Europäische Parlament und war als Schriftleiter eSport für die SpoPrax aktiv. Seine Dissertation mit dem Titel „Die Inkorporation des eSports in das deutsche Rechtssystem“ ist im November 2022 im Nomos-Verlag erschienen. Außerdem ist er als Autor am in Kürze erscheinenden StichwortKommentar eSport-Recht beteiligt.