Die Rolle von Amazon, PayPal und Co. im System alternativer Streitbeilegung

Die Rolle von Amazon, PayPal und Co. im System alternativer Streitbeilegung

von Dr. Rebecca Liebig

Jeder Nutzer von Amazon, PayPal und Co. kennt die Konfliktlösungsmechanismen der Vermittlungsplattformen – den PayPal-Käuferschutz, die Amazon A-bis-z-Garantie, das Airbnb-Mediationscenter, usw. Mit Hilfe dieser Mechanismen können Plattformnutzer schnell und meist unkompliziert diverse Konflikte mit den Vertragspartnern lösen, an die sie über die Plattform vermittelt wurden.

Ungleiche Profiteure

Was auf den ersten Blick den Nutzern zu dienen scheint, ist für die Plattformen selbst von besonderer Bedeutung. Die Konfliktlösungsmechanismen stellen sicher, dass die Nutzer auch dann mit den Plattformdiensten zufrieden sind, wenn innerhalb der vermittelten Transaktionsverhältnisse Probleme auftreten. Dies fördert eine langfristige Nutzerbindung, was wiederum ein Kernbestandteil des wirtschaftlichen Erfolges digitaler Plattformen ist.

Doch profitieren damit noch lange nicht alle Beteiligten von den Konfliktlösungsangeboten. Für den wirtschaftlichen Erfolg der Vermittlungsplattformen ist nämlich häufig eine Nutzergruppe essenzieller als die andere und wird daher regelmäßig auch im Rahmen der Konfliktlösungsmechanismen durch kulante Entscheidungen begünstigt. Dies wiederum kann die Plattformnutzer auf der Gegenseite langfristig wirtschaftlich belasten.

Unabhängige Konfliktlösungsvorschläge durch Vermittlungsplattformen?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche rechtliche Bedeutung den Konfliktlösungsmechanismen zukommt und welche Rolle die Plattformen hierbei einnehmen.

Gewisse Parallelen zu alternativen Streitbeilegungsmechanismen sind dabei nicht von der Hand zu weisen: Plattformen, die ihre Rolle als bloße Vermittler von Transaktionen immer wieder betonen, treffen im Rahmen ihrer Konfliktlösungsmechanismen „Entscheidungen“ über eben jene Transaktionsverhältnisse, an denen sie auch nach eigenem Selbstverständnis nicht beteiligt sind. Es scheint, als würden sie sich als eine Art Schiedsrichter begreifen.

Ein solches Selbstverständnis ginge jedoch zumindest im deutschen Recht fehl. Bereits vor einiger Zeit hat der BGH entschieden, dass die „Entscheidungen“ im Rahmen der Konfliktlösungsmechanismen nicht bindend sind. Damit wären sie allenfalls als Entscheidungsvorschlag zu verstehen, den die Parteien – jedenfalls in der Theorie – annehmen oder ablehnen können.

Doch was in der Theorie so unverbindlich klingt, ist es in der Praxis oftmals nicht. Gerade KMU sind zuweilen auf die Plattformnutzung angewiesen und werden sich in Konsequenz reiflich überlegen müssen, ob sie den Entscheidungsvorschlag akzeptieren oder ablehnen wollen – und damit ggf. auch eine schlechte Bewertung o.ä. riskieren. Dadurch kann den Ergebnissen der Konfliktlösungsmechanismen jedenfalls eine faktische Bindungswirkung zukommen.

Regulierungsbedarf

Ein gewisser Regulierungsbedarf ist damit nicht von der Hand zu weisen. Dennoch sind die Konfliktlösungsmechanismen digitaler Vermittlungsplattformen trotz ihres immensen Einflusspotenzials – zumindest im Recht alternativer Streitbeilegung – bislang nicht reguliert.

Will man den Mechanismen eine Parallele zur alternativen Streitbeilegung nicht absprechen, wäre daher regulatorisch jedenfalls ein Mindestmaß an Neutralität und Rechtsschutzmöglichkeiten für die Beteiligten sicherzustellen. Dafür würde sich ein Regulierungsinstrument auf EU-Ebene anbieten, denn der EU ist die Regulierung der Plattformwirtschaft nicht fremd. Ob und inwieweit die EU auch diesen Aspekt regulieren will, bleibt in letzter Konsequenz noch abzuwarten.


Dr. Rebecca Liebig ist Rechtsreferendarin im OLG-Bezirk Frankfurt am Main und fokussiert sich schwerpunktmäßig auf den Bereich Dispute Resolution. Ihre Dissertation mit dem Titel „Außergerichtliche private Streitbeilegung durch digitale Plattformen“ erschien im Nomos-Verlag in der Schriftenreihe „Recht und Digitalisierung“.