Die Vermessung der Sportwelt – Der Schutz sensibler Leistungsdaten

29.05.2024

Die Vermessung der Sportwelt – Der Schutz sensibler Leistungsdaten

Von Dr. Finn Jacob Hoffmann

Die anstehenden Olympischen und Paralympischen Sommerspiele von Paris 2024 werfen ihre Schatten voraus. Dies gilt nicht nur für die anhaltenden Diskussionen um einen ausreichenden Schutz der Eröffnungsfeier auf der Seine. Auch der Schutz insbesondere der sensiblen Leistungsdaten von Athlet:innen rückt im Zuge dieses Großereignisses wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Schließlich scheint das inoffizielle Motto hinsichtlich des Umgangs mit Leistungsdaten „Intensiver, umfassender, innovativer“ zu lauten. Dieser Beitrag wirft schlaglichtartig einen Blick auf die hiesige Rechtslage unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten.
So fallen im Rahmen der mittlerweile völlig üblichen Leistungsanalyse im professionellen Sport in Trainingseinheiten und (Qualifikations-) Wettbewerben unzählige Informationen zur körperlichen Leistungsfähigkeit an, welche als Gesundheitsdaten nach Art. 4 Nr. 15 DS-GVO einzustufen sind. Auf Basis dieser Parameter werden sodann unter anderem Nominierungs-, Scouting-, Vertrags- und weitere vergleichbare Entscheidungen mit wesentlichen Auswirkungen auf die Karrieren der Sportler:innen getroffen, welche nicht selten Beschäftigte im datenschutzrechtlichen Sinne sind. Letzterem Umstand kommt aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Verarbeitungsvorgängen eine große Bedeutung zu.

Generelles Verarbeitungsverbot mit Ausnahmetatbeständen

Für die Verarbeitung derartiger Gesundheitsdaten gilt nach Art. 9 DS-GVO ein generelles Verarbeitungsverbot mit abschließenden Ausnahmetatbeständen. Eine Einwilligung der betroffenen Person nach Art. 9 Abs. 2 lit. a DS-GVO ist dabei mit der jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit nach Art. 7 Abs. 3 DS-GVO belastet und sieht sich davon abgesehen Rechtsfragen bezüglich der Informiertheit aufgrund der teils hochkomplexen Verarbeitungsprozesse sowie im Falle von Abhängigkeitsverhältnissen insbesondere auch der Freiwilligkeit der Einwilligungserteilung ausgesetzt.
Darüber hinaus kann die Verarbeitung gewisser „medizinischer“ Gesundheitsdaten von Beschäftigten wie beispielsweise Untersuchungen zur Arbeitstauglichkeit, zur optimalen Behandlung von Verletzungen oder zur Prävention ebensolcher wohl auf den Erlaubnistatbestand des Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO i. V. m. § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG gestützt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Verarbeitung rein „sportbezogener“ Gesundheitsdaten, welche ausschließlich zu Zwecken der Analyse und Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit erhoben werden.

Denkbare Lösungsansätze und der Blick (zurück) nach Frankreich

Theoretisch als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von sensiblen Datenkategorien insbesondere in den Mannschaftssportarten kämen – wenn man einmal von der rein tatsächlichen Absenz des kollektiven Arbeitsrechts zumindest im deutschen Leistungssport absieht – Kollektivvereinbarungen in Form einer Betriebsvereinbarung oder sogar eines Tarifvertrags nach Art. 9 Abs. 2 lit. b DS-GVO i. V. m. § 26 Abs. 4 BDSG in Betracht, welche den Beschäftigtendatenschutz in den Unternehmen und Verbänden mit Blick auf die ungewöhnliche Interessenlage im Berufssport angemessen austarieren könnten.
Rechtsvergleichend lohnt sich zudem ein Blick in das Gastgeberland der diesjährigen Sommerspiele. So beruft sich das Nationale Institut des Sports, der Expertise und der Leistung (INSEP) für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten im Rahmen eines „Athlete Management System“ auf Artikel R. 211-2 des Sportgesetzes (Code du sport) aufgrund eines erheblichen öffentlichen Interesses nach der Öffnungsklausel des Art. 9 Abs. 2 lit. g DS-GVO. Möglicherweise wäre die Schaffung eines derartigen Sportgesetzes mit entsprechenden Regelungen für den Bereich des Datenschutzes auch für den nationalen Sport ein gangbarer Weg, um die bestehende Rechtslage zugunsten einer größeren Rechtssicherheit bei der Verarbeitung von Gesundheits- und anderen sensiblen Daten auszugestalten.

 

Dr. Finn Jacob Hoffmann beginnt in Kürze sein Rechtsreferendariat am OLG Oldenburg. Er promovierte am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Römisches Recht, Europäische Privatrechtsgeschichte der Neuzeit und Rechtsvergleichung (Prof. Dr. Rudolf Meyer-Pritzl) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zu dem Thema „Die Vermessung der Sportwelt – Der Schutz der Beschäftigtendaten im Leistungssport“. Seine Dissertation erscheint in Kürze im Nomos Verlag.